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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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gesehen.«
    Auch das noch! Er hatte Vergleichsmöglichkeiten. Wahrscheinlich jede
Menge durchtrainierte Mittfünfzigerinnen, die dreimal in der Woche ins Fitnessstudio
gingen.
    »Nein, ich kann das nicht. Bitte geh!«
    »Aber …«
    »Geh jetzt!«
    Eine ganze Weile war es still. Schließlich hörte sie die Tür zum
Hausflur zufallen. Sie hätte erleichtert sein müssen, aber ihr war einfach nur
zum Heulen zumute. Maria griff sich eine Packung Tempos, drehte den Schlüssel
herum, zog die Tür auf und traute ihren Augen nicht.
    Arno stand splitterfasernackt im Flur, nur einen Meter von der
Badezimmertür entfernt, seine Kleidung lag neben ihm auf dem Boden.
    »Also«, Arno drehte sich einmal um, sodass sie auch sein Hinterteil
sehen konnte, »so sieht ein Mann aus, der auf die sechzig zugeht. Ich verliere
meine Haare, ich habe einen Bauch, als hätte ich einen Fußball verschluckt, und
meine Beine werden immer dünner. So sehen Köper nun mal aus, wenn sie alt
werden. Ich bin auch nicht mehr Adonis, Maria. Na und, was soll’s?«
    Er kam auf sie zu. »Maria! Du und ich, wir …«
    »Es wird kein Wir geben«, sagte Maria hastig und wich zurück. »Ich
kann das nicht. Ich will das auch nicht.«
    »Meinst du das ernst?«
    Sie erwiderte nichts, aber das war Antwort genug.
    Arno musterte sie, dann bückte er sich im Zeitlupentempo nach seiner
Hose.
    »Hauptkommissarin Maria Mooser«, sagte er, »wer hätte gedacht, dass
du so ein elender Feigling bist.«
    Er nahm seine Schuhe, klemmte Hose und Hemd unter den Arm und ließ
die Wohnungstür so hinter sich ins Schloss fallen, dass die Glasscheiben darin
leise klirrten.
    Maria stand da, wie zur Salzsäule erstarrt. Ihr Kopf weigerte sich,
irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Sie ging zur Couch und kippte hastig den
letzten Schluck Sekt hinunter, den Arno übrig gelassen hatte.
    Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können?
    Ihr Telefon klingelte.
    Bestimmt Arno. Sie würden alles wieder geradebiegen. Sie würden die
Sache einfach vergessen, würden weiter abends zusammensitzen, Wein trinken und
erzählen, unverfänglich, gute Freunde.
    Maria lief zum Telefon.
    Aber es war nicht Arno. Es war einer der Beamten, die Karel Lindnar
überwachten.
    Der Dichterfürst hatte sie hereingelegt.
    Der Dichterfürst war weg.

Schattenbilder
    »Wieso weg?« Maria musste sich sehr bemühen, nicht in den Hörer
zu schreien.
    »Er saß an der Theke. Aber er war es nicht.«
    »Ach, und wer war es dann? Eine Fata Morgana?«
    Karel Lindnar auf jeden Fall nicht. Der junge Mann mochte zwar
manchmal, wie er einmal selbst behauptet hatte, Quark in der Birne haben, aber
wenn es darum ging, die Kripo hereinzulegen, schien sein Kopf ausgezeichnet zu
funktionieren.
    Nachdem er wieder in seine Wohngemeinschaft zurückgekehrt war,
hatten die Beamten einige Zeit vor dem Haus gewartet. Bis Lindnar schließlich
wieder herauskam, einen Moment vor der Tür stehen blieb, den Reißverschluss
seiner neuen roten Jacke zuzog und eine schwarze Mütze aus der Tasche
hervorholte, die er sich, aufmerksam nach rechts und links schauend, über den
blonden Schopf stülpte.
    Dann war er zurück in die Stadt gegangen und in der Unteren Straße
in ein Lokal nach dem anderen eingekehrt.
    »Wir dachten, der macht eine Kneipentour«, kam es kleinlaut aus dem
Hörer.
    Überall setzte Lindnar sich, in Jacke und mit Mütze auf dem Kopf,
meist mit dem Rücken zur Tür, bestellte ein Bier, um bald darauf zu bezahlen
und in der nächsten Gaststätte zu verschwinden.
    Im zweiten Lokal suchte er die Toiletten auf. Das machte er auch in
den folgenden so, kein Wunder bei dem Bierkonsum. Natürlich war man ihm
zunächst unauffällig gefolgt. Aber egal ob es ein Fenster oder eine Hintertür
gab, Lindnar war immer brav wieder an seinen Tisch zurückgekommen.
    In der letzten Gaststätte hatte er etwas länger auf der Toilette
gebraucht, war aber auch dann wieder an seinen Platz zurückgekehrt.
    »Man konnte das wirklich nicht erkennen. Es war so dämmrig da. Als
der anfing, immer wieder auf seine Uhr zu sehen, haben wir erst gedacht, er
wartet auf jemanden.«
    Nach einer guten Stunde zog der junge Mann in der auffälligen Jacke
die Mütze vom Kopf und siehe da: Karel Lindnar war nicht mehr blond, sondern
dunkelhaarig.
    »Lindnar hat ihn auf der Toilette angesprochen und erzählt, er
bräuchte Hilfe, weil seine Freundin hinter ihm herspioniere. Die sei extrem
eifersüchtig und renne ihm schon den halben Abend nach, um herauszukriegen,

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