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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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ob
er etwas mit einer anderen hat.«
    Eine kleine lehrreiche Lektion für die Freundin, die sich nicht
einbilden sollte, Lindnar merke nichts davon. Man könnte doch die Jacken
tauschen, hatte Lindnar vorgeschlagen. Seine sei brandneu und hundert Euro gebe
er noch dazu. Ein gutes Geschäft. Für die Stunde Am-Tresen-Sitzen bot er noch
einmal fünfzig Euro extra.
    Und während die Polizeibeamten den jungen Mann an der Theke gut im
Auge behielten, war Lindnar aus dem Lokal spaziert, in dunkler Jacke, mit
hochgeschlagenem Kragen.
    »Hinterher habe ich gedacht, das muss der mit dem Handy gewesen
sein, der an uns vorbeigegangen ist. Er hat es seitlich vors Gesicht gehalten,
da konnte man ihn schlecht erkennen. Es sah aus, als würde der telefonieren.
Aber wir haben ja auch gedacht, Lindnar sitzt da vorne …«
    »Idioten«, fauchte Maria.
    »Was haben Sie gesagt?«
    Sie versuchte, ihren Ärger im Zaum zu halten. Sie hatte keine Zeit
für Standpauken, Eile war angesagt. Sie musste eine Fahndung nach Lindnar in
die Wege leiten. Und dafür sorgen, dass sie ihr Versprechen hielt.
    Ein sicherer Ort. Sarah Szeidel und ihre Tochter Julie mussten aus
Heidelberg verschwinden, heute, sofort, nicht erst morgen.
    Maria eilte zurück in die Polizeidirektion.
    Eine Stunde später hielt in Neuenheim ein Wagen vor dem Eingang der
Klinik, und in der schützenden Dunkelheit der Nacht verließ eine junge Frau in
Begleitung von zwei Männern das Gebäude.
    Das Auto fuhr weiter nach Handschuhsheim zu einem Reihenhaus am Rand
der Felder. Ein verschlafenes kleines Mädchen wurde aus dem Haus getragen, und
wenige Minuten später hatte der Wagen die Stadt verlassen.
    Mitternacht war schon vorbei, bis alles geregelt war und Maria
endlich wieder nach Hause gehen konnte.
    Müde schloss sie die Tür zu ihrer Wohnung auf. Im Flur lag eine
Socke auf dem Boden. Ein Überbleibsel von Arno, das er wohl verloren hatte, als
er aus der Wohnung gestürmt war. Eine Allerweltssocke, die einmal schwarz
gewesen und vom Waschen inzwischen grau geworden war. Maria legte sie auf das
kleine Schränkchen an der Garderobe.
    Obwohl sie todmüde war, wälzte sie sich noch eine Weile im Bett hin
und her, bis das Schlafzimmer sich verwandelte, ein Raunen nach und nach den
Raum erfüllte.
    Menschen saßen in einer Art Theater, Ränge, die bis in den Himmel
hinaufreichten, unten die Arena, ein leerer Sandplatz. Man wartete, tuschelte
aufgeregt, in der Gewissheit, dass es etwas ganz Besonderes zu sehen geben
würde.
    Maria kannte einige der Gesichter im Publikum: Lea Rinkner saß unter
den Zuschauern, unten in der ersten Reihe, mit wächserner Haut und bläulich
verfärbten Lippen, zwei Reihen über ihr Sarah Szeidel, die ihre Tochter Julie
ängstlich an sich drückte. Ein paar Sitze von ihnen entfernt Hans Martinsen,
apathisch, mit entsetztem Gesichtsausdruck, die Wangen eingefallen, die Augen
dunkel umrändert.
    Auf der anderen Seite ragte Kurt Rinkner aus der Menge, mit massigem
Schädel und finsterem Blick. Er starrte auf einen jungen Mann, der zwei Reihen
unter ihm saß, in einer roten Jacke, eine Mütze tief ins Gesicht gezogen, am
Fußgelenk eine dicke Kette, die ihn mit einem gediegen aussehenden älteren
Herrn an seiner Seite verband.
    Die Menge wurde unruhig, dann brandete Applaus auf. Ein Mann war in
die Arena getreten, splitterfasernackt, mit leichtem Bauchansatz und dürren,
langen Beinen. Er hob die Hand zum Gruß, drehte sich im Kreis, sodass alle
Zuschauer alles an ihm sehen konnten.
    Frauen fingen hysterisch an zu kreischen, Rosen flogen durch die
Luft und Socken, immer mehr Socken, bis der ganze Boden damit bedeckt war.
    Langsam bewegte der nackte Torero sich auf ein Tor zu, dessen
dunkler Schlund in einen Gang hineinführte. Er wedelte mit einer Socke,
versuchte, sein Opfer hervorzulocken.
    Die Zuschauer erhoben sich von den Rängen, klatschten und johlten.
Immer lauter und lauter, Stimmen, die sich nach und nach vereinten, bis es sich
anhörte, als sei es eine einzige, die immer wieder rief: Feigling! Feigling! FEIGLING !
    Maria schreckte hoch. Voller Angst lauschte sie in die Dunkelheit.
    Keine Rufe, keine johlende Meute. Nicht einmal die leise Musik, die
manchmal oben aus Arnos Wohnung kam, war zu hören.
    Alles war still.
    *
    »Idioten«, schimpfte Ferver.
    Und dann sagte er noch all das, was Maria sich am vorigen Abend
verkniffen hatte. Seine Gesichtsfarbe hatte sich vom üblichen Grau mit einem
kurzen Zwischenstadium von Zartrosa zu einem kräftigen

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