Kurpfalzblues
Der Blumenmörder von oben.
Maria ging in ihre Wohnung, dann rief sie bei Arno an.
»Hallo, hier ist Maria. Danke für die Rose.«
»Reine Berechnung. Ich habe mir gedacht, wenn ich Wiedergutmachung
leiste, erspare ich mir die Festnahme. Hast du noch Lust auf ein Gläschen
Sekt?«
»Ich glaube, ich häng mich einfach ein bisschen auf meine Couch«,
lehnte Maria ab, aber ihre Botschaft kam im Stockwerk darüber anscheinend nicht
richtig an.
»Prima«, erwiderte Arno. »Da häng ich doch mit. Ich bin gleich da.«
Schon hatte er aufgelegt. Zwei Minuten später stand er samt
Sektflasche und einem Buch unter dem Arm vor der Haustür.
»Es gibt etwas zu feiern«, verkündete er gut gelaunt.
»Was denn?«
Arno drückte ihr die Flasche in die Hand und zog das Buch hervor.
»Es ist fertig, heute gekommen. Mein Reiseführer über Heidelberg.
Das erste Exemplar ist für dich!«
Natürlich konnte sie ihn da nicht wegschicken. Wollte sie auch
nicht. Sie hatten einige Abende damit zugebracht, über Arnos Reiseführer zu
beratschlagen, hatten darüber diskutiert, wie man die schwarz-gelben
Feuersalamander im Handschuhsheimer Mühltal, den Efeu-Verkauf in der Abtei
Neuburg und die Romantik des Schlierbacher Wolfsbrunnens am besten aufs Papier
bringen könnte.
Arno hielt ihr das Buch hin. Ein glänzender Einband mit Stadtidylle,
Schloss und Alter Brücke unter zartem Nebelschleier.
»Ich habe schon zwei Druckfehler gefunden«, sagte Arno, aber das
schien seiner Begeisterung keinen Abbruch zu tun.
Sie saßen auf der Couch, blätterten, schwätzten. Arno trank ein Glas
Sekt nach dem anderen, und irgendwann zwischen Seite 153 und Seite 157 rückte
er näher zu ihr, legte den Arm um sie, scheinbar um besser ins Buch sehen zu
können.
Bilder von den Wochenmärkten. Stände mit Honig, Käse und
Lavendelsäckchen. Zwei alte Frauen mit wettergegerbten Gesichtern hinter
Möhren, Kartoffeln und bunten Blumensträußen.
»Das finde ich besonders schön.« Maria tippte auf das Bild.
»Ja, das finde ich auch«, sagte Arno. Aber er schaute nicht auf das
Bild, sondern auf sie. Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Sehr schön.«
Maria spürte, wie sie rot wurde.
Arno beugte sich zu ihr, berührte mit seinen Lippen ihre Wange, nahm
ihr, ohne hinzusehen, das Buch aus der Hand und warf es auf den Tisch.
Dann zog er sie an sich. Er schob die Haare aus ihrem Nacken, küsste
ihren Hals und fuhr mit seiner Hand langsam ihren Rücken hinunter, unter ihren
Pullover.
Maria schloss die Augen. Wie sehr hatte sie das vermisst! Wie oft
davon geträumt!
Es fühlte sich so gut an!
Seine Küsse waren zärtlich und warm, seine Lippen weich und sanft.
Es prickelte auf Marias Haut. Wie kleine Luftperlen, die langsam ihren Körper
entlangstreiften.
»Arno, ich …«
»Psst«, sagte er. »Wir beide, wir gehören doch zusammen. Das weiß
ich schon lange.« Er schob ihren Pullover weiter hoch. »Komm, zieh den mal
aus.«
Mit einem Schlag war alles vorbei. Das Prickeln war nicht mehr
aushaltbar, die kleinen Luftperlen wurden zu einem Strudel, der sie
unerbittlich in die Tiefe zog. Marias Herz fing an zu rasen.
»Ich muss mal verschwinden, ich bin gleich wieder da.«
Sie wand sich aus seinem Arm, stürzte in den Flur und schloss sich
im Badezimmer ein.
Wir beide gehören zusammen .
Maria ließ sich kaltes Wasser über die Hände laufen. Wie oft hatte sie das in
ihrer Ehe gedacht. Wir gehören zusammen, uns kann nichts auseinanderbringen.
Und dann hatte Bernd sie verlassen, wegen einer Frau, die so jung war, dass sie
seine Tochter hätte sein können. Er hatte die mit dem alternden Körper einfach
ausgetauscht.
Maria sah in den Spiegel. Sie wusste, wie es unter dem Pullover
aussah. Zu viele Pfunde, ein Busen, der der Schwerkraft nachgegeben hatte, ein
Körper, den sie noch einigermaßen mochte, wenn sie allein war, aber nicht mehr,
wenn jemand anders ihn anschaute.
Sie würde sich nicht vor ihm ausziehen, sie würde sich nicht zeigen.
Er musste verschwinden.
Es klopfte leise an der Badezimmertür.
»Alles in Ordnung da drinnen?«
»Ich … Ich kann das nicht, Arno, es tut mir leid.«
»Ach was, Maria, jetzt war es doch gerade so schön. Nun komm schon.«
»Nein, es geht nicht.« Was sollte sie ihm sagen? Am besten die
Wahrheit. »Ich bin zu alt, und ich bin zu dick und …«
Und außerdem war sie in Jörg verliebt.
»Maria, ich bitte dich! Glaubst du, ich hätte noch nie eine Frau
über fünfzig nackt
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