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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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überein, daß uns der Mangel an Wasser und Proviant zu diesem Schritt zwang — Marshall und Ricketts, sogar Dillon, obwohl der jetzt in allem so widerborstig ist und päpstlicher als der Papst.«
    Die Sophie stank nach frischer Farbe und gebratenen Sardinen. Sie lag bekalmt fünfzehn Meilen vor Kap Tortosa und dümpelte in einer öligen Dünung. Noch eine halbe Stunde nach dem Mittagessen zog der blaue, fettige Fischdunst (die Sardinen stammten von einem Fischer, dessen ganzen Fang sie aufgekauft hatten) übelkeiterregend durch die Decks und durchs Rigg.
    Der Bootsmann hing mit zahlreichen Gehilfen in Bootsmannsstühlen außen an der Bordwand und strich gelbe Farbe über das propere Schwarzweiß der Werft. Der Segelmacher und ein Dutzend Leute mit Segelmacherhandschuhen stichelten an einem langen schmalen Persenningstreifen, der als Relingskleid ihr kriegerisches Aussehen kaschieren sollte. Und der Erste pullte in der Jolle rund ums Schiff, um die Wirkung zu studieren. Er saß mit dem Arzt allein im Boot und hielt einen Monolog.
    »Alles«, sagte er gerade. »Ich unternahm alles , was in meiner Macht stand, um ein Zusammentreffen zu vermeiden. Ich verstieß gegen alle Vorschriften. Ich änderte den Kurs, nahm eigenmächtig Segel weg — undenkbar in der Marine —, erpreßte den Master, bis er stillhielt. Und trotzdem — da lag sie morgens vor uns, zwei Meilen in Lee, auf einer Position, wo sie niemals hätte sein dürfen, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre ... Ahoi, Mr. Watt! Noch sechs Zoll tiefer, wenn ich bitten darf, rundherum.«
    »Es war ganz gut so. Wenn ein anderer an Bord gegangen wäre, hätte er sie wahrscheinlich geschnappt.«
    James schwieg eine Weile. »Er beugte sich über den Tisch«, fuhr er dann fort, »blies mir seinen stinkenden Atem in die Nase und zischte mir mit haßerfüllten gelben Augen diese scheußlichen Dinge ins Gesicht. Wie ich schon sagte, war mein Entschluß längst gefaßt. Doch nun sah es so aus, als hätte ich vor seiner ordinären Drohung gekniffen. Und zwei Minuten später glaubte ich es selber.«
    »Aber so war’s nicht, das bilden Sie sich nur ein. Es sind krankhafte Phantastereien, die schon an Selbstzerfleischung grenzen. Hüten Sie sich vor diesem Laster, James, ich flehe Sie an. Und was den Rest betrifft — ein Jammer, daß Sie alles so schwernehmen. Was macht es denn für einen Unterschied, auf lange Sicht gesehen?«
    »Ein Mann müßte schon halb tot sein, um das nicht schwerzunehmen. Und tot und begraben sein Pflichtgefühl, ganz zu schweigen von ... Mr. Watt, das reicht jetzt.«
    Stephen saß da und hielt James Dillon im Geist eine Predigt. Hassen Sie nicht Jack Aubrey dafür, wollte er mahnen, trinken Sie nicht soviel, und zerfleischen Sie sich nicht für etwas, das nicht ewig währt. All dies hätte er ihm gern gesagt, aber er befürchtete einen Wutausbruch. Denn trotz seiner äußerlichen Ruhe war James Dillon innerlich überspannt wie eine zu straffe Saite und in einem beklagenswerten Zustand exaltierter Verbitterung. Stephen konnte sich nicht entschließen, zuckte nur die Schulter und hob die flache Hand in einer Geste, die »bah, halb so schlimm« bedeutete; zu sich selbst aber sagte er: Trotzdem werde ich ihn dazu überreden, heute abend ein Schlafmittel zu nehmen — das wenigstens kann ich für ihn tun — und ein bißchen Alraunpulver zur Entspannung. Und im Tagebuch formuliere ich es so: JD, gezwungen, den Judas zu spielen, entweder mit der Rechten oder mit der Linken, und verbittert über seine Zwangslage, konzentriert seinen ganzen Haß auf den armen JA, was ein bemerkenswertes Beispiel für Übertragung ist. Denn in Wahrheit hat JD gar nichts gegen JA — im Gegenteil ...
    »Jedenfalls hoffe ich«, sagte James und pullte zum Schiff zurück, »daß wir nach all dieser schändlichen Drückebergerei bald ins Gefecht kommen. Ein Gefecht kann einen Mann auf wunderbare Weise mit sich selbst ins reine bringen. Und manchmal auch mit seinen Mitmenschen.«
    »Was sucht dieser Bursche in beiger Weste auf unserem Achterdeck?«
    »Das ist Pram. Der Kommandant verkleidet ihn als dänischen Offizier. Es gehört zu unserer Tarnung. Erinnern Sie sich nicht mehr an die gelbe Weste, die der Skipper der Clomer trug? Das ist bei Dänen so Brauch.«
    »Hab ich vergessen. Sagen Sie, greift man auf See oft zu solchen Tricks?«
    »O ja. So etwas ist eine völlig legale Kriegslist. Oft unterhalten wir den Feind auch mit falschen Signalen — mit allen außer den

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