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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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selbst kreisende Welt hoffnungslos aus dem Gleichgewicht geraten war, und fühlte sich vom Gespenst des Mißerfolgs wie von einem Alp niedergedrückt.
    Er hatte versagt, hatte nicht erreicht, wozu er aufgebrochen war. Nur zu gerne hätte er Stephen Maturin nach den Gründen für sein Scheitern befragt; nur zu gerne hätte er sich auch über unverfängliche Dinge mit ihm unterhalten und ein bißchen musiziert; aber er wußte, eine Einladung in die Achterkajüte kam einem Befehl gleich, schon allein deshalb, weil es ein unerhörter Affront gewesen wäre, sie abzulehnen. Dies war ihm — für immer unvergeßlich — an jenem Morgen klargeworden, als Dillon sich so überraschend geweigert hatte, mit ihm zu frühstücken. Wo es keine Gleichberechtigung gab, konnte es auch keine entspannte Geselligkeit geben: War ein Mann gezwungen, immer mit »Jawohl, Sir« zu antworten, hatte seine Zustimmung keinen Wert, selbst dann nicht, wenn sie ehrlich gemeint war. All diese Sachverhalte waren Jack vertraut, seit er in der Marine diente; sie lagen offen zutage. Und doch hätte er nie gedacht, daß sie sich so unerbittlich auswirken würden, jedenfalls nicht auf ihn.
    Weiter unten im Schiff, im fast leeren Fähnrichslogis, war die Stimmung sogar noch melancholischer. Die beiden Jungen saßen niedergeschlagen da und kämpften mit den Tränen. Seit Mowett und Pullings mit den Prisen davongesegelt waren, hatten Ricketts und Babbington Wache um Wache gehen müssen und jeweils nicht mehr als vier Stunden Schlaf bekommen, was in ihrem chronisch müden Alter, in dem sie der warmen, einlullenden Hängematte als Liebesersatz so sehr bedurften, eine besondere Härte war. Außerdem hatten sie sich beim pflichtgemäßen Schreiben ihrer Briefe über und über mit Tinte bekleckert und waren für den jämmerlichen Anblick, den sie boten, scharf getadelt worden. Noch schlimmer: Babbington, dem nichts Wichtiges eingefallen war, hatte seine zwei Seiten mit Fragen nach Familienmitgliedern und Bekannten, nach Hunden, Pferden, Katzen, Vögeln und sogar nach der großen Standuhr im Flur daheim gefüllt und litt jetzt unter einem akuten Anfall von Heimweh. Außerdem fürchtete er, daß ihm Haare und Zähne ausfallen und daß seine Knochen erweichen würden, daß sich sein ganzer Körper mit Furunkeln und Beulen bedecken würde — als zwangsläufige Folge seines Umgangs mit Huren, wie ihm der ach so lebenserfahrene und altkluge Schreiber Richards eingeredet hatte.
    Jung-Ricketts grämte sich aus einem anderen Grund: Sein Vater hatte davon gesprochen, daß er sich auf ein Proviant- oder Transportschiff versetzen lassen wollte, weil es dort sicherer und gemütlicher sei, und der Junge hatte die Aussicht auf Trennung von seinem Erzeuger erstaunlich gefaßt akzeptiert; aber nun sollte es offenbar doch keine Trennung geben, denn sein Vater wollte ihn mitnehmen, ihn aus seiner Umgebung und dem Leben auf der Sophie reißen, die er doch so leidenschaftlich liebte. Marshall hatte den vor Erschöpfung taumelnden Jungen nach unten geschickt, und da saß er nun um halb vier Uhr morgens auf seiner Seekiste, vergrub das Gesicht in den Händen und war zu müde, um in seine Hängematte zu kriechen. Tränen quollen zwischen seinen Fingern hervor.
    Vor dem Mast, im Mannschaftslogis, war man weit weniger niedergeschlagen, obwohl einige Leute — ihre Zahl war viel größer als üblich — ohne sonderliche Begeisterung dem Donnerstagmorgen entgegensahen, an dem sie ausgepeitscht werden sollten. Die anderen drückten keine speziellen Sorgen, abgesehen vom harten Dienst und den mageren Rationen. Doch die Sophies waren inzwischen eine so eng miteinander verwachsene Gemeinschaft, daß jedermann an Bord die Unstimmigkeiten spürte, die beunruhigender waren als die ständige Gereiztheit der Offiziere — aber die Ursache kannte niemand. Die sonst so gute Laune und Kameradschaftlichkeit litt darunter. Der Trübsinn des Achterdecks sickerte bis ins Vorschiff, erreichte den Ziegenstall und das Waschbord und troff schier aus den Ankerklüsen.
    Deshalb war die Sophie , als Ganzes betrachtet, nicht in bester Form, als sie sich gegen eine einschlafende Tramontana durch die Nacht quälte. Daran konnte auch der Morgen nichts ändern, der nach der nördlichen Wetterlage (wie so oft in diesen Breiten) aus Südwest heranziehende Nebelschwaden brachte, die als Künder eines strahlend schönen Tages willkommen sein mochten, wenn man nicht gerade ein Schiff in Landnähe bei so schlechter Sicht

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