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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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etwas aus der sechsten Kategorie, lag eher in seiner Reichweite. Nein, er hatte keinen Anspruch auf eine Fregatte, auch nicht auf die Cacafuego. Nicht einmal das Recht auf Molly Harte, und doch hatte er sie sich genommen. In der Kutsche, in ihrer Gartenlaube und nochmals in einer anderen Gartenlaube hatten sie sich geliebt, die ganze Nacht. Vielleicht fühlte er sich deshalb jetzt so schläfrig, döste so entspannt vor sich hin, blinzelte erwartungsfroh in eine sonnige Zukunft, als wär's ein gemütliches Kaminfeuer.
    Und vielleicht taten seine Wunden deshalb so weh. Der Schnitt auf seiner linken Schulter, von dem er nicht wußte, woher er stammte, war an einem Ende wieder aufgeplatzt. Er hatte ihn erst gespürt, als alles vorbei war, und Stephen hatte ihn gleich mit genäht, als er die Pikenwunde über seinen Rippen versorgte (ein Verband für beide) und den Rest seines linken Ohrs irgendwie ankleisterte.
    Aber Dösen konnte er sich jetzt nicht leisten. Jetzt mußte er sein Schäfchen ins trockene bringen, sich um eine Fregatte bemühen, mußte Fortuna am Schopf packen, solange sie in Reichweite war. Als erstes wollte er an Queeney schreiben, und nachmittags, vor der Party, mußte er noch einige andere Briefe verfassen, vielleicht sogar an seinen Vater, damit der alte Knabe keinen Narren aus sich machte. Der war ein denkbar schlechter Diplomat, versagte jämmerlich bei der Wahrnehmung seiner Interessen und vertrat nur schlecht ihre bescheidenen Ansprüche gegenüber den illustren Mitgliedern der Familie — eigentlich hätte er’s niemals bis zum General bringen dürfen, wenn man’s recht bedachte. Trotzdem, zuerst kam sein offizieller Bericht für die Öffentlichkeit. Vorsichtig stand Jack auf und machte sich auf den Weg.
    Es war der erste offizielle Landgang seit seiner Rückkehr, und die neugierigen Blicke, das Geflüster und die deutenden Zeigefinger, die sein Erscheinen begleiteten, machten ihn verlegen. Er trug seinen Brief in die Hafenkommandantur, und alles schlechte Gewissen, alle Ansätze von Reue, wenn schon nicht von Schuldbewußtsein, die ihm auf dem Weg durch die Stadt und vollends dann im Vorzimmer zugesetzt hatten, verflogen bei Kapitän Hartes ersten Worten.
    »Tja, Aubrey«, sagte der Hafenkommandeur und blieb hinter seinem Schreibtisch sitzen, »da müssen wir Ihnen wohl wieder mal zu Ihrem ganz erstaunlichen Glück gratulieren, nehme ich an.«
    »Zu freundlich, Sir«, antwortete Jack. »Ich bringe Ihnen hier meinen offiziellen Bericht.«
    »Ah ja«, machte Kapitän Harte affektiert und hielt den Umschlag mit gespielter Nachlässigkeit von sich ab. »Ich leite ihn demnächst weiter. Mr. Brown von der Werft ließ mich wissen, daß es ihm völlig unmöglich ist, auch nur die Hälfte Ihrer Anforderungen zu erfüllen — er schien höchst erstaunt über deren Ausmaß. Wie zum Teufel haben Sie s geschafft, sich so viele Spieren wegschießen zu lassen? Und dann diese unerhörten Mengen an Tauwerk! Ihre Langriemen sollen zersplittert sein? Na, hier gibt's jedenfalls keinen Ersatz dafür. Glauben Sie nicht, daß Ihr Bootsmann ziemlich übertreibt? Mr. Brown sagt, ihm ist auf dieser Station noch keine Fregatte, nicht mal ein Linienschiff untergekommen, das auch nur halb so viele Ersatzteile verlangt hätte.«
    »Wenn Mr. Brown mir sagen könnte, wie man eine Fregatte von zweiunddreißig Kanonen erobert, ohne dabei ein paar Spieren einzubüßen, wäre ich ihm sehr dankbar.«
    »Ach, wissen Sie, bei einem gut geführten Überraschungsangriff ... Aber wie dem auch sei, Sie werden für das meiste nach Malta gehen müssen. Northumberland und Superb haben uns hier total leer geräumt.« Hartes Neid und Bösartigkeit waren so offensichtlich, daß seine Worte nicht viel Wirkung erzielten. Aber mit seinem nächsten Hieb unterlief er Jacks Deckung und traf ihn an einer wunden Stelle. »Haben Sie schon an das Ehepaar Ellis geschrieben? So ein Bericht hier«, er tippte mit dem Umschlag auf die Tischplatte, »ist kinderleicht abzufassen; jeder könnte das. Aber um den Brief an Henrys Eltern beneide ich Sie nicht. Wie ich ihnen Trost spenden soll, weiß ich beim besten Willen nicht ...«
    Er biß sich auf den Daumenknöchel und schoß von unten her einen wütenden Blick auf Jack ab. Plötzlich war dieser überzeugt, daß die finanzielle Einbuße, der drohende Verlust, die Schuldenfälligkeit — oder welches Fiasko sonst — Harte viel mehr aufbrachten als die Entehrung seiner Frau.
    In Wahrheit hatte Jack längst an

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