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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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die erste Bratenscheibe ab und trug sie zu dem weißköpfigen Geier, der angebunden in einer Zimmerecke hockte. »Das eben ist die Frage. Ich neige zu der Ansicht, daß sie von der Brandung an den Felsen zerschmettert wurde und nicht durch Ertrinken starb. Diese amourösen Torheiten ... Aber wir waren bei der Karriere Ihres Freundes.« Mr. Florey pausierte und musterte die lange, zweischneidige Klinge, ehe er gemessen zu tranchieren begann. »Wer einem Mann Hörner aufsetzt, wird möglicherweise von ihm aufgespießt«, bemerkte er wie nebenbei, beobachtete aber heimlich die Wirkung seiner Worte auf Stephen.
    »Sehr richtig.« Stephen warf dem Geier einen Knorpel zu. »Allgemein gilt fenum habent in cornu . Aber Sie haben gewiß«, setzte er hinzu, Mr. Florey anlächelnd, »nicht nur ein Klischee über Hahnreis äußern wollen. Möchten Sie sich nicht etwas präziser ausdrücken? Oder beziehen Sie sich etwa auf die junge Person unter dem Tuch? Ich weiß, Sie meinen es gut, und ich versichere Ihnen, auch die größte Offenheit könnte mich nicht verletzen.«
    »Tja«, meinte Mr. Florey, »die Sache ist die, daß Ihr junger Freund — unser junger Freund, darf ich wohl sagen, denn ich schätze ihn sehr, und seine Tapferkeit gereicht der Marine zur Ehre, gereicht uns allen zur Ehre —, daß unser junger Freund sehr indiskret war. Das gilt auch für die Dame. Sie können mir folgen, nehme ich an?«
    »Oh, gewiß.«
    »Der Gehörnte nimmt das übel, und er ist in einer Position, in der sein Haß schaden kann, falls unser Freund nicht vorsichtig ist — ungemein vorsichtig. Der Ehemann wird keine Satisfaktion verlangen, das ist nicht der Stil dieses jämmerlichen Kerls. Aber er könnte ihn in eine Falle locken, ihn zu irgendeinem Ungehorsam verleiten und ihn dafür vors Kriegsgericht bringen. Unser Freund ist bekannt für seinen Schneid, seinen Unternehmungsgeist und seine Fortüne, aber auch für seinen Mangel an striktem Gehorsam. Und einige der dienstälteren Kapitäne hier hat sein Erfolg ziemlich neidisch und nervös gemacht. Mehr noch: Er — oder jedenfalls seine Familie — hängt den Tories an. Der Ehemann und der gegenwärtige Erste Seelord aber sind radikale Whigs, tollwütige liberale Hunde. Sie folgen mir immer noch, Dr. Maturin?«
    »Das tue ich, Sir, und ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihren Freimut. Sie bestätigen mir, was mich schon lange beschäftigt hat, und ich werde mein Bestes tun, um unserem Freund die Gefährlichkeit seiner Situation vor Augen zu führen. Aber ich gestehe Ihnen«, schloß Stephen bedrückt, »daß es mir manchmal so vorkommt, als würde in diesem Fall nur die radikale Amputation des männlichen Glieds helfen.«
    Mr. Florey nickte weise. »Ja, das ist meistens der Übeltäter«, seufzte er.
    Auch der Schreiber David Richards saß beim Abendessen, aber er nahm es im Schoße seiner Familie ein. »Wie jedermann weiß«, verkündete er der ehrerbietig lauschenden Runde, »ist die Position des Sekretärs auf einem Kriegsschiff die allergefährlichste. Mit Uhr und Schiefertafel steht er die ganze Zeit oben auf dem Hüttendeck und notiert alles, was geschieht. Er ist dem Kommandanten am nächsten, und alle Handfeuerwaffen und die meisten Kanonen konzentrieren ihr Feuer auf ihn. Trotzdem muß er da oben ausharren und den Kommandanten mit seiner gefaßten Ruhe und seinem Rat unterstützen.«
    »O Davy«, rief seine Tante aus, »hat er dich wirklich um Rat gefragt?«
    »Ob er mich um Rat gefragt hat, Madam? Verdammt noch mal, das will ich meinen!«
    »Nicht fluchen, Davylein«, sagte seine Tante prompt, »das ist nicht fein.«
    »›Oh, oh, Mr. Richards‹, sagte er, als der Großtopp das Schutznetz wie Spinnweb zerriß und uns die Splitter um die Ohren flogen, ›oh, ich weiß mir wirklich nicht mehr zu helfen. Was soll ich tun?‹ — ›Da gibt's nur eins, Sir‹, sagte ich. ›Wir müssen entern. Entern wir sie vorn und achtern, und ich gebe Ihnen mein Wort darauf, die Fregatte ist in fünf Minuten unser.‹ Tja, meine Lieben, ich will nicht übertreiben und muß deshalb gestehen, daß wir zehn Minuten brauchten. Aber das war die Sache wert, denn auf diese Weise haben wir die schönste kupferbeschlagene Schebeckenfregatte erobert, die ich jemals gesehen habe. Und als ich nach achtern kam, nachdem ich den Schreiber des spanischen Kommandanten erstochen hatte, schüttelte mir Captain Aubrey die Hand und versicherte mir mit Tränen in den Augen: ›Richards, wir müssen Ihnen alle ewig

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