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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Sie selbst kämpften bei der Kanone, und dann hörte er Sie oben an der Treppe zur Kuhl rufen. Er focht ganz vorn, lauter schwarze Gesichter hinter sich. Ich sah, wie er mit seiner Pistole einen Pikier erschoß und mit dem Degen den Kerl aufspießte, der den Bootsmann niedergeschlagen hatte; dann geriet er an einen Seesoldaten, einen Offizier. Nach einigen schnellen Ausfällen schlug er dessen Säbel mit seiner Pistole beiseite und stach zu. Aber seine Klinge traf entweder das Brustbein oder eine Metallplakette, denn sie bog sich durch und brach. Doch mit dem übriggebliebenen Stumpf von sechs Zoll durchbohrte er den Mann so blitzschnell, daß ich mit den Augen nicht folgen konnte — unglaublich, diese Kraft und Entschlossenheit. Ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, wie glücklich er dabei aussah. Sein Gesicht strahlte förmlich vor Glück!«
    Erlauben Sie mir noch hinzuzufügen, daß die Crew der Sophie im Kampf den höchsten Mut und vorbildlichen Gehorsam bewies. Besonders verdient gemacht haben sich Mr. Pullings, Leutnant auf Zeit, den ich für seine große Anstrengung und sein mustergültiges Verhalten der besonderen Aufmerksamkeit Ihrer Lordschaften empfehlen möchte, ebenso wie meine Decksoffiziere, den Bootsmann, den Zimmermann und den Stückmeister.
    Mit aufrichtiger Hochachtung empfiehlt sieh Ihnen etc.
    Zu Beginn des Gefechts verfügte die Sophie über insgesamt 54 Offiziere, Matrosen und Schiffsjungen sowie über 14 Vierpfünder. Verluste: 3 Gefallene, 8 Verwundete.
    Die Cacafuego verfügte zu Beginn des Gefechts über 274 Offiziere, Matrosen und Sonstige sowie über 45 Seesoldaten. Kanonen: 32. Gefallen sind der Kommandant, der Bootsmann und 13Mann; 41 wurden verwundet.
    Jack las seinen offiziellen Bericht durch, änderte »Mit auf richtiger Hochachtung« um in »Mit vorzüglicher Hochachtung« , unterzeichnete mit »Jno. Aubrey« und adressierte ihn an M. Harte, Esqr . Zu seinem großen Leidwesen konnte er ihn nicht an Lord Keith senden, denn der Admiral befand sich am anderen Ende des Mittelmeers, und während seiner Abwesenheit ging alles durch die Hände des Hafenkommandeurs.
    Es war ein brauchbarer Bericht, wenn auch kein brillanter, trotz aller gewissenhafter Verbesserungen; aber Jack war eben kein großes Licht mit der Schreibfeder. Immerhin gab er die Ereignisse wieder — jedenfalls die wichtigsten — und enthielt keinerlei Unrichtigkeiten, bis auf die Datierung »vor Barcelona«, während er in Wahrheit erst in Mahón entstanden war, am Tag nach ihrem Einlaufen. Auch glaubte Jack, darin allen Beteiligten gerecht geworden zu sein, jedenfalls soweit er das konnte, denn Stephen Maturin hatte darauf bestanden, daß er nicht erwähnt wurde. Aber selbst wenn sein Bericht ein Muster seemännischer Formulierungskunst gewesen wäre, hätte er nicht mehr wiedergeben können als einen schwachen Abklatsch der Ereignisse; jedem Marineoffizier, der ihn las, würde das bewußt sein. Zum Beispiel sprach er von dem Nahkampf wie von einem isolierten Vorgang — kühl beobachtet, anständig bewältigt und glasklar erinnert —, obwohl fast alle entscheidenden Ereignisse davor und danach stattgefunden hatten. Und selbst beim Nahgefecht konnte er nicht mehr beschwören, wann was passiert war. Der Zeitablauf nach ihrem Sieg geriet ihm vollends durcheinander: Er erinnerte sich nur verschwommen an nicht enden wollende Arbeit, an unmenschliche Erschöpfung und größte Besorgnis. Dreihundert wütende Gefangene mußten von zwei Dutzend Männern in Schach gehalten werden, die außerdem die sechshundert Tonnen schwere Prise durch rauhe See und widrige Winde nach Menorca zu bringen hatten. Fast das ganze stehende und laufende Gut der Slup war zu erneuern, Masten mußten geschient, Rahen neu aufgebracht und Ersatzsegel angeschlagen werden, wobei der schwerverwundete Bootsmann schmerzlich vermißt wurde. Es wurde eine harte Reise, stets am Rand der Katastrophe entlang, und weder die See noch der Himmel war ihnen gnädig gesinnt.
    Eine vage Erinnerung also — und tiefe Niedergeschlagenheit, denn stärker als Sophies Sieg empfand Jack die Niederlage der Cacafuego. Dazu dieser ständige Zeitdruck bei wachsender Erschöpfung — ihm war, als sei das ganze Leben eine einzige Mühsal: ein dichter Nebel, aus dem nur einige wenige Szenen scharf und klar hervortraten.
    Zum Beispiel Pullings auf dem blutigen Deck der Cacafuego , wie er in seine tauben Ohren brüllte, daß die Kanonenboote aus Barcelona im Anrücken seien; oder sein

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