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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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schnell mit der Dunkelheit, daß Stephen sie nach zehn Minuten beim besten Willen nicht mehr ausmachen konnte.
    »Sehen Sie sie noch?« fragte er den Bootsmann, der noch an seiner Verwundung laborierte und deshalb vorübergehend die Slup befehligen durfte.
    »Ich kann gerade noch die Blendlaterne erkennen, wenn der Kommandant den Kompaß abliest«, antwortete Mr. Watt. »Etwas achterlich vom Kranbalken.«
    »Nehmen Sie mein Nachtglas, Sir«, sagte Mr. Lucock, der einzige an Bord verbliebene Fähnrich.
    »Ich wollte, es wäre schon vorbei«, seufzte Stephen.
    »Ich auch, Doktor«, pflichtete ihm der Bootsmann bei. »Und ich wollte, ich wäre mit ihnen dort draußen. Für die Zurückbleibenden ist es immer schlimmer. Diese Burschen sind alle zusammen und mopsfidel, die Zeit vergeht ihnen im Nu, während wir paar Männchen uns hier die Beine in den Bauch stehen. Wir können nur warten und die Sandkörner im Stundenglas zählen. Es wird uns Vorkommen, als seien Jahre vergangen, bis wir wieder von ihnen hören. Denken Sie an meine Worte.«
    Stunden, Tage, Wochen, Jahre ... Einmal hörte Stephen ein Schrillen hoch in den Lüften: Flamingos auf ihrem Flug zum Mar Menor oder bis zu den Marschen des Guadalquivir. Ansonsten umgab ihn nur laut- und konturlose Dunkelheit, fast wie eine Negation der Zeit.
    Das aufblitzende Musketenfeuer und das anschließende Geknatter kamen nicht von dem Sektor her, auf den sich sein Blick konzentriert hatte, sondern von viel weiter rechts. Hatten sich die Boote verirrt? Waren sie auf Gegenwehr gestoßen? Oder hatte er in die falsche Richtung geschaut?
    »Mr. Watt«, fragte er, »sind sie dort, wo sie sein sollten?«
    »Auf keinen Fall, Sir.« Der Bootsmann wirkte nicht beunruhigt. »Wie ich den Kommandanten kenne, ist das nur ein Ablenkungsmanöver.«
    Das Geknatter dauerte an, und in den kurzen Pausen dazwischen war fernes Geschrei zu hören. Plötzlich leuchtete links davon ein tiefrotes Glühen auf, dann ein zweites und ein drittes. Der dritte Brandherd erweiterte sich, wuchs enorm in die Höhe, wurde zu einer Flammenzunge, die den halben Himmel zu belecken schien, zu einer prächtigen Fontäne aus Licht: eine ganze Schiffsladung brennenden Olivenöls.
    »Allmächtiger, erbarme dich«, murmelte der Bootsmann ergriffen.
    »Amen«, kam es aus der schweigend starrenden Crew.
    Der Feuerschein wurde immer greller. In seinem Licht konnten sie die beiden anderen Brandherde und ihre hellgrauen Rauchwolken erkennen, dazu die Küstenlinie und das Dorf; und davor den Kutter und die Barkasse, die vom Strand wegpullten. Die Jolle strebte quer über die Bucht zu ihnen. Und hinter all dem erhoben sich die braunen Hügel, in gleißendes Licht und scharfe Schatten getaucht.
    Zunächst hatte sich die Feuersäule völlig senkrecht gen Himmel gereckt, so kerzengerade wie eine Zypresse. Doch nach der ersten Viertelstunde begann sich ihre Spitze landeinwärts nach Süden zu neigen, auf die Hügel zu, und der Rauch zog sich zu einer langen, von unten beleuchteten Wolkenbank auseinander. Die Helligkeit hatte eher noch zugenommen, und Stephen sah Möwenschwärme zwischen der Slup und den Bränden dahinziehen, alle in Richtung des Feuers. Es muß jedes Lebewesen im Umkreis anlocken, dachte er besorgt. Wie werden wohl die Fledermäuse reagieren?
    Allmählich kippten die oberen zwei Drittel der Lichtfontäne deutlich nach Süden ab, und die Sophie begann zu rollen; kleine Wellen plätscherten gegen ihren Backbordrumpf.
    Mr. Watt riß sich aus seiner ehrfürchtigen Erstarrung und gab die notwendigen Befehle. Als er ans Schanzkleid zurückkehrte, meinte er: »Das wird ein harter Pull für sie, wenn’s so bleibt.«
    »Könnten wir ihnen nicht entgegenfahren und sie aufnehmen?«
    »Nicht bei diesem Wind, der drei Strich umgesprungen ist, und nicht mit diesen Untiefen vor dem Kap. Nein, Sir.«
    Ein weiterer Schwarm Möwen flog tief überm Wasser an ihnen vorbei, Richtung Land. »Das Feuer zieht meilenweit im Umkreis alles an, was lebt«, sagte Stephen.
    »Keine Sorge, Sir«, beruhigte ihn der Bootsmann. »In einer Stunde oder zwei wird es Tag, dann kümmern sich die Vögel nicht mehr darum.«
    »Es erhellt aber den ganzen Himmel«, beharrte Stephen.
    Das Feuer erhellte auch das Deck der Formidable , eines prächtigen französischen Linienschiffs mit achtzig Kanonen, das im Besan die Flagge von Konteradmiral Linois fuhr. Ihr Kommandant war Kapitän Lalonde. Die Formidable stand sieben oder acht Meilen vor der Küste und war

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