Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
Vom Netzwerk:
seien Sie so freundlich und holen Sie mir mein Glas. Entschuldigung, Doktor — Sie sprachen gerade über Strabo.«
    »Man könnte behaupten, er sei nur ein wiederauferstandener Eratosthenes — oder sollte ich besser sagen: ein umgeriggter?«
    »Ja, unbedingt ... Da oben auf der Klippe, unterhalb der Burg, reitet ein Kerl, als gings um sein Leben.«
    »Er reitet ins Dorf.«
    »Stimmt. Ich sehe es jetzt, er kommt hinter den Felsen hervor. Und ich sehe noch etwas anderes«, fügte Jack wie im Selbstgespräch hinzu.
    Gemächlich glitt die Slup weiter, und gemächlich entrollte sich die Bucht vor ihnen und gab den Blick auf eine Ansammlung weißer Häuser am Ufer frei. Ein Stück weiter draußen, etwa eine Viertelmeile südlich vom Dorf, lagen drei Fahrzeuge vor Anker: zwei Huaris und eine Pinke, kleinere Handelsschiffe, aber tief weggeladen.
    Noch bevor die Slup auf sie zuzuhalten begann, war im Dorf schon große Aufregung zu beobachten. Jedes glasbewehrte Auge an Bord konnte erkennen, wie die Einwohner zum Strand rannten, wie sie Boote ins Wasser schoben und eilig zu den Ankerliegern hinausruderten. Gleich darauf hasteten die Leute an Deck der Handelsschiffe durcheinander, und der Lärm ihrer hitzigen Wortwechsel drang durch die Abendstille bis zur Sophie . Es folgte der rhythmische Singsang, mit dem sie die Anker hievten; alle Tücher wurden gesetzt und die Schiffe vierkant auf den Strand gesegelt.
    Jack beobachtete die Vorgänge mit kaltem, berechnendem Blick. Falls weder Wind noch Schwell aufkam, mußte es ein leichtes sein, die Fahrzeuge wieder in tiefes Wasser zu warpen — leicht für die Spanier, aber auch für ihn. Zugegeben, seine Befehle ließen ihm keinen Spielraum für einen solchen Überfall. Und doch, der Feind war entscheidend auf die Küstenschiffahrt angewiesen: fluchwürdige Straßen — die Maultierkarawanen ungeeignet für sperrige Güter — keine nennenswerten Pferdewagen ... Lord Keith hatte diesen Punkt nachdrücklich betont. Und es war doch seine Pflicht, zu erobern, zu brandschatzen, zu versenken und zu zerstören.
    Die Sophies wandten kein Auge von Jack; sie wußten nur zu gut, was ihm durch den Kopf ging, aber sie hatten auch eine ziemlich genaue Vorstellung von dem, was in seinen Befehlen stand: kein Beutezug, sondern strikter Konvoidienst. Sie starrten ihn an, und der Sand der Zeit rieselte davon. Der Wachtposten Joseph Button, dessen Aufgabe es war, das Halbstundenglas umzudrehen, sobald alle Sandkörner unten angekommen waren, und sofort danach die Glocke anzuschlagen, wurde durch Rippenstöße, Kneifen, den gedämpften Ruf: »Joe, Joe, wach auf, du Trottel!« und schließlich durch Mr. Pullings' scharfe Stimme dicht an seinem Ohr aus der Betrachtung von Captain Aubreys Gesicht gerissen: »Button, dreh das Glas um!«
    Als der letzte Glockenschlag verklungen war, sagte Jack: »Drehen Sie ab, Mr. Pullings.«
    In einer weichen, eleganten Kurve und unter den vertrauten, fast nicht mehr registrierten Trillersignalen und Kommandos wie: »Klar zur Halse!« — »Auf das Ruder!« — »Gei auf Großsegel!« schwang die Sophie herum, nahm Fahrt auf, luvte an und hielt auf das ferne Paketboot zu, das immer noch bekalmt auf der spiegelglatten, violetten See vor sich hin träumte.
    Nachdem sie das kleine Kap einige Meilen achteraus gelassen hatte, verlor auch die Sophie den Wind und lag mit schlappen, unförmigen Segeln in der Abenddämmerung, während langsam der Tau fiel.
    »Mr. Day«, sagte Jack, »bereiten Sie freundlicherweise ein paar Brandfässer vor — sagen wir, ein halbes Dutzend. Mr. Dalziel, falls kein Wind aufkommt, können wir wohl gegen Mitternacht in die Boote gehen und auf Land zuhalten. Dr. Maturin, bis dahin wollen wir uns erquicken.« Ihre Erquickung bestand darin, Notenlinien zu ziehen und ein geliehenes Duett mit Vierundsechzigstelnoten zu kopieren. »Bei Gott«, seufzte Jack nach einer guten Stunde und blickte mit rotgeränderten, tränenden Augen von seinem Blatt auf, »ich werde zu alt für so was.« Er preßte die Handflächen auf die geschlossenen Lider und blieb eine Weile still sitzen. Dann fuhr er mit völlig veränderter Stimme fort: »Ich mußte den ganzen Tag an Dillon denken. Den ganzen Tag lang, immer und immer wieder. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich ihn vermisse. Als Sie von diesem alten Klassiker sprachen, stand er förmlich wieder vor mir — zweifellos weil es um Iren ging. Und Dillon war doch Ire, obwohl man’s bei ihm niemals vermutet

Weitere Kostenlose Bücher