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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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zurück über den Vierundsiebziger zum Flaggschiff. Nun konnte er nur noch abwarten. Die nächsten fünf Minuten würden entscheidend sein. Tatsächlich, jetzt entfalteten sich bunte Signalflaggen auf der Formidable , und ein Kanonenschuß fiel, des Nachdrucks halber. Aber leider war es nicht das erhoffte Rückrufsignal. Die Desaix ging sofort höher an den Wind, verlor jedes Interesse an der Küste und setzte ihre Royals. Deren Rahen wurden so schnell und gekonnt hochgehievt, die Segel selbst so effektiv getrimmt, daß Jack unwillkürlich einen anerkennenden Pfiff ausstieß. Nun erschien auch auf der Formidable mehr Tuch. Und zuletzt kam sogar die Indomptable schnell auf, alle Rahen vor dem draußen frischeren Wind vollgebraßt, eine breite Pyramide.
    Damit stand fest, daß die Franzosen vom Postschiff die wahre Identität der Sophie erfahren hatten. Ebenso fest stand allerdings, daß die aufgehende Sonne das bißchen Wind schlucken oder zumindest weiter schwächen würde. Jack blickte zu seinen Segeln hoch: Natürlich war alles Tuch gesetzt, und noch zogen sie alle, trotz der launischen Brise. Der Segelmeister stand am Kompaßhaus; Pram, der Quartermaster, war am Ruder und holte alles an Fahrt aus ihr heraus, was sie hergeben konnte, die arme, dicke, alte Slup. Jeder Mann wartete stumm und wachsam auf seiner Station. Für den Kommandanten gab es nichts mehr zu veranlassen oder zu befehlen. Aber sein Blick hing an der fadenscheinigen, ausgebeulten Admiralitätsleinwand, und sein Gewissen setzte ihm höllisch zu, weil er sich nicht die Zeit genommen hatte, rechtzeitig seine privat angeschafften, neuen Toppsegel anzuschlagen, die zwar illegal waren, aber aus bestem Tuch.
    »Mr. Watt«, sagte er nach einer Viertelstunde, den Blick auf die glasig glatte See gerichtet, »machen Sie klar zum Ausbringen der Langriemen.«
    Wenige Minuten später setzte die Desaix ihre Flagge und feuerte einen Warnschuß ab. Als hätte der hallende Doppelknall die stille Luft verwirbelt, fielen die vollen Kurven ihrer Segel in sich zusammen, flatterten kurz, füllten sich wieder und erschlafften endgültig. Sophies Brise blieb ihr noch zehn Minuten länger treu, dann erstarb sie ebenfalls. Doch bevor sie alle Fahrt verlor, war jeder Langriemen ausgebracht, den ihnen Malta zugestanden hatte (vier fehlten leider noch), und sie kroch langsam, aber stetig ins Auge des Windes (falls er geweht hätte). Fünf Mann saßen an jedem Riemen, der sich unter der gemeinsamen Anstrengung durchbog: das war Schwerstarbeit, schweißtreibende Schwerstarbeit. Stephen fiel plötzlich auf, daß an fast jedem Riemen auch ein Offizier mitpullte. Er setzte sich auf einen der wenigen freien Plätze, und binnen vierzig Minuten hatte er keine Haut mehr auf den Handflächen.
    »Mr. Dalziel, lassen Sie die Steuerbordwache zum Frühstück wegtreten. Ah, da sind Sie ja, Mr. Ricketts: Ich glaube, wir sollten eine doppelte Ration Käse ausgeben — etwas Warmes werden sie so bald nicht kriegen.«
    »Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten«, antwortete der Zahlmeister mit schiefem Grinsen, »mir schwant, daß wir bald was außerordentlich Heißes zwischen die Zähne kriegen.«
    Die abgefütterte Steuerbordwache übernahm das anstrengende Rudern, während sich ihre Kameraden zu einer Mahlzeit aus Zwieback, Käse und Grog setzten, angereichert durch zwei Schinken aus der Offiziersmesse. Es wurde eine kurze, gehetzte Erholungspause, denn draußen war Wind aufgekommen und riffelte die See. Die französischen Schiffe bekamen ihn als erste zu spüren, und es war erstaunlich, wie ihre hohen, in die oberen Luftschichten reichenden Segel sie mit diesem bloßen Hauch vorantrieben. Sophies so mühsam errungener Vorsprung war binnen zwanzig Minuten dahin. Noch bevor ihre eigenen Segel sich füllten, warf die Desaix schon eine Bugwelle auf, einen weißen Schnurrbart, der vom Achterdeck aus klar zu erkennen war. Dann begannen auch Sophies Segel zu ziehen, aber es reichte nur für eine Schleichfahrt, mit der sie niemals entkommen konnten.
    »Riemen ein«, befahl Jack. »Mr. Day, werfen Sie die Kanonen über Bord.«
    »Aye, aye, Sir«, antwortete der Stückmeister forsch, aber seine Bewegungen wirkten seltsam unnatürlich und verkrampft, als er langsam die Broktaue löste — wie bei einem Mann, der am Rand eines Abgrunds balancierte.
    Stephen kam mit Baumwollfäustlingen über seinen wunden Händen an Deck zurück und sah die Mannschaft des achtersten Vierpfünders, Keile und Handspaken in

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