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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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mit Knoten und Spleißen beschäftigt, und in ihren Segeln klafften einige traurige Löcher. Aber bis jetzt war noch kein entscheidender Teil getroffen, noch kein Mann verwundet worden.
    »Mr. Dalziel«, sagte Jack, »bitte die Vorräte über Bord.«
    Sie nahmen die Lukendeckel ab und entleerten die Lagerräume in die See — Fässer voller Pökelfleisch, Schiffszwieback, Trockenerbsen, Hafermehl, Butter, Käse, Essig, sogar Fässer mit Schießpulver und die Kugeln. Sie pumpten ihren kostbaren Wasservorrat außenbords. Ein Vierundzwanzigpfünder durchlöcherte Sophies Rumpf ein Stück unter der Gillung, und sofort begannen die Pumpen außer Süßwasser auch Salzwasser zu fördern.
    »Sehen Sie nach, wie der Zimmermann vorankommt, Mr. Ricketts«, befahl Jack.
    »Alle Vorräte sind über Bord«, meldete der Erste.
    »Schön, Mr. Dalziel. Und jetzt die Anker und Spieren. Behalten Sie nur einen Warpanker.«
    »Mr. Lamb läßt ausrichten, in der Bilge steht das Wasser zweieinhalb Fuß hoch«, meldete ein keuchender Kadett. »Aber er hat das Einschußloch mit einem Pfropfen verstopft.«
    Jack nickte und blickte sich nach dem französischen Geschwader um. Es war hoffnungslos, hoch am Wind entkommen zu wollen. Aber wenn er schnell anluvte und überraschend eine Wende fuhr, dann konnte er vielleicht auf Gegenkurs durch ihre Front brechen. Danach würde die Sophie den Wind ein bis zwei Strich achterlicher als querab haben und mit Hilfe der nachlaufenden Seen, dank ihres jetzt geringeren Gewichts und ihrer Wendigkeit vielleicht doch noch entkommen und Gibraltar erreichen. Rigoros geleichtert, tanzte sie wie eine Nußschale übers Wasser und mochte ihnen vor dem Wind davonlaufen. Und mit etwas Glück und einer schnellen Wende konnte sie eine Meile Vorsprung gewinnen, bevor die Linienschiffe auf dem neuen Bug wieder Fahrt aufnahmen. Natürlich würde sie ein paar Breitseiten einstecken müssen, während sie durchbrach ... Aber es war ihre einzige Chance. Auf den Überraschungseffekt kam es an.
    »Mr. Dalziel«, sagte Jack, »wir wenden in zwei Minuten, setzen die Leesegel und brechen zwischen dem Flaggschiff und dem Vierundsiebziger durch. Das muß flott gehen, ehe sie Lunte riechen.« Er wandte sich mit diesen Worten an den Ersten, wurde aber sofort von allen Leuten verstanden. Die Toppgasten hasteten auf ihre Plätze und standen bereit, aufzuentern und die Leesegelspieren auszubringen. Auf dem überfüllten Deck machte sich gespannte Erwartung breit. »Noch nicht, noch nicht...«, murmelte Jack und beobachtete, wie die Desaix an Steuerbord querab schnell aufkam. Vor ihr mußte er sich besonders in acht nehmen, denn sie war ständig auf der Hut, und er hätte sie gern mit irgendeinem Manöver beschäftigt gesehen, bevor er den Befehl zur Wende gab. An Backbord lag die Formidable , zweifellos überbemannt wie alle Flaggschiffe und deshalb im entscheidenden Moment weniger gefährlich. »Noch nicht — noch nicht«, wiederholte er, wobei er die Desaix nicht aus den Augen ließ. Doch unbeirrt setzte sie ihre stetige Annäherung fort. Er zählte bis zwanzig, dann rief er: »Jetzt!«
    Das Rad wirbelte herum, die leichtfüßige Sophie drehte sich wie ein Wetterhahn und hielt auf die Formidable zu. Das Flaggschiff feuerte sofort, aber seine Kanoniere konnten denen der Desaix nicht das Wasser reichen. Ihre hastige Breitseite peitschte dort die See auf, wo die Slup eben noch gewesen war. Und die überlegtere Salve der Desaix wurde durch die Angst behindert, daß Abpraller oder Querschläger das Flaggschiff treffen könnten. So richtete nur ein halbes Dutzend ihrer Kugeln Schaden an, der Rest war zu kurz gezielt.
    Die Sophie war durchgebrochen, nicht allzu stark mitgenommen und keinesfalls manövrierunfähig. Ihre Leesegel standen voll, und sie preschte mit achterlichem Wind auf dem Kurs dahin, der ihr am besten behagte. Die Überraschung war gelungen, die beiden Gegner entfernten sich schnell voneinander — eine Meile in den ersten fünf Minuten. Der Desaix zweite Breitseite, auf gut tausend Meter Distanz abgefeuert, verriet Irritation und Überstürzung. Ein splitterndes Krachen auf Sophies Vorschiff kündete von der totalen Zerstörung der Ulmenpumpe, aber das war auch schon alles. Das Flaggschiff hatte offenbar auf eine zweite Breitseite verzichtet und blieb noch eine Zeitlang auf seinem alten Am-Wind-Kurs, als sei die Sophie nicht mehr vorhanden.
    Wir könnten es geschafft haben, sagte sich Jack, auf die Heckreling gestützt und

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