Kurs auf Spaniens Kueste
bedrückt, dann werden Sie mir hoffentlich erlauben ...«
Schon schob er die Hand in die Hosentasche, aber Stephen Maturin wehrte ab: »Nein, nein, nein«, wiederholte er ein halbes dutzendmal, lächelte beruhigend und sagte: »Aber Sie sind wirklich zu gütig.«
»Ich bin zutiefst betroffen, Doktor«, wiederholte Jack, »und schäme mich fast, von Ihrer Zwangslage zu profitieren. Aber meine Sophie braucht einen Arzt — Sie haben ja keine Ahnung, was für Hypochonder die meisten Seeleute sind. Sie genießen es, verarztet zu werden. Eine Besatzung ist nur glücklich und zufrieden, wenn sich jemand um sie kümmert, und sei s der gröbste Hilfspfleger. Außerdem wäre es die beste Lösung Ihrer augenblicklichen Probleme. Für einen Mann der Wissenschaft ist die Bezahlung natürlich kläglich — fünf Pfund im Monat, wie ich beschämt zugeben muß. Aber immerhin besteht gute Aussicht auf Prisengeld, und dann gibt es noch zusätzliche Vergünstigungen, zum Beispiel Königin Annes Bonus und einen Zuschlag für jeden Patienten mit Syphilis. Er wird gleich von seinem Sold abgezogen.«
»Ach, mein finanzieller Engpaß bedrückt mich nicht allzu sehr«, meinte Stephen leichthin. »Wenn der unsterbliche Carl von Linné mit nur fünfundzwanzig Pfund fünftausend Meilen weit durch Lappland wandern konnte, dann werde ich doch ... Aber geht es denn bei der Sache selbst mit rechten Dingen zu? Bestimmt müßte ich doch offiziell ernannt werden? Und brauche ich nicht eine Uniform, Instrumente, Arzneien und andere medizinische Ausrüstung?«
»Jetzt, da Sie mich nach diesen Einzelheiten fragen, merke ich überrascht, wie wenig ich darüber weiß«, gestand Jack lächelnd. »Aber solche Kleinigkeiten, liebster Doktor, dürfen uns nicht im Wege stehen. Zwar benötigen Sie eine Bestallung vom Marineamt, da bin ich sicher. Doch genauso sicher ist, daß ich Admiral Warren nur zu fragen brauche, dann stellt er Ihnen sofort eine kommissarische Ernennung aus — mit Freuden. Und was die Uniform betrifft, so gibt es für Schiffsärzte keine besondere; gewöhnlich tragen sie einen dunkelblauen Rock. Bei Instrumenten und so weiter bin ich allerdings überfragt. Ich glaube, das Apothekenamt schickt immer eine Kiste mit medizinischer Ausrüstung an Bord. Aber das weiß bestimmt Florey oder sonst jemand im Hospital. Jedenfalls sollten Sie so schnell wie möglich an Bord gehen — ich meine, sobald Sie können. Kommen Sie am besten schon morgen, dann können wir zusammen zu Mittag essen. Vielleicht machen Sie die erste Reise noch als mein Gast, denn selbst eine kommissarische Ernennung braucht ihre Zeit. Sehr bequem ist es nicht an Bord — eine Brigg bietet wenig Bewegungsfreiheit, müssen Sie wissen —, aber so bekommen Sie wenigstens gleich einen Eindruck vom Leben auf See. Und wenn Ihr Vermieter lästig wird, macht ihn das sofort gefügig ... Aber lassen Sie mich Ihnen noch Tee nachgießen ... Ich bin sicher, die Seefahrt wird Ihnen Zusagen, denn sie ist kolossal philosophisch.«
»Bestimmt«, sagte Stephen. »Was könnte für einen Philosophen, einen Erforscher der menschlichen Natur, ergiebiger sein? An Bord hat er all seine Studienobjekte auf engem Raum beisammen, keiner kann seinem forschenden Blick entgehen; die Gefahren des Krieges, die Risiken des Berufs, die fleischliche Enthaltsamkeit und die gleichförmige Verpflegung verstärken gewiß jede leidenschaftliche Empfindung. Nicht zu vergessen«, schloß er mit einer angedeuteten Verbeugung vor Jack, »das Feuer der Vaterlandsliebe ... Ich muß gestehen, daß ich mich in der jüngsten Vergangenheit mehr für die Geheimnisse der Botanik als für meine Mitmenschen interessiert habe. Aber für den forschenden Geist ist so ein Schiff bestimmt ein höchst anschauliches Labor.«
»Ein formidables Labor, das garantiere ich Ihnen, Doktor«, versicherte Jack. »Was bin ich doch für ein Glückspilz: Ich kriege Dillon als Ersten und einen Dubliner Internisten als Schiffsarzt für die Sophie — übrigens, Sie beide sind natürlich Landsleute. Vielleicht kennen Sie Mr. Dillon sogar?«
Stephen Maturin wurde es kalt ums Herz. »Es gibt so viele Dillons«, meinte er vorsichtig. »Wie lautet sein Vorname?«
Jack vergewisserte sich in seinen Papieren. »James«, sagte er.
»Nein«, antwortete Stephen entschieden. »Kann mich nicht erinnern, jemals einem James Dillon begegnet zu sein.«
»Mr. Marshall, lassen Sie bitte den Zimmermann rufen«, befahl Jack. »Ich erwarte einen Gast, und wir
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