Kurs auf Spaniens Kueste
neuen Uniformen, Schwüren und Audienzen?«
»Schwüre? Oh, Sie meinen die Vereidigung. Nein, die betrifft nur Leutnants. Man geht in die Admiralität und bekommt dort ein Formular vorgelesen, irgend etwas über die eigene Untertanenpflicht, die Souveränität des Königs und die totale Ablehnung des Papstes; man fühlt sich sehr wichtig und sagt: ›Das schwöre ich‹, worauf der Federfuchser seinerseits sagt: ›Macht eine halbe Guinee‹, was den Effekt ziemlich verdirbt. Aber das alles betrifft nur patentierte Offiziere — Mediziner werden durch eine Bestallung ernannt. Ihnen würde es doch bestimmt nichts ausmachen, einen Eid abzulegen«, schloß Jack lächelnd, merkte dann, daß diese Bemerkung ein wenig taktlos, ein wenig zu persönlich gewesen war, und setzte schnell hinzu: »Ich fuhr einmal mit einem armen Kerl zur See, der den Eid verweigerte, jede Eidesleistung, nur aus Prinzip. Ich mochte ihn nicht sehr, denn er fummelte immer an seinem Gesicht herum. Aus Nervosität, nehme ich an, es hat ihn wohl etwas beruhigt. Sowie man ihn nur ansah, schwups! steckte er einen Finger in den Mund, drückte an seiner Wange herum, zupfte sich am Kinn. Das sind natürlich Bagatellen. Aber wenn man mit einem Sonderling in der Messe eingepfercht leben muß, Tag für Tag, während des ganzen Einsatzes, dann wird so ein Tick lästig. Im Mannschaftslogis oder im Cockpit kann man ihn anbrüllen: ›Laß um Himmels willen die Finger aus dem Gesicht!‹, aber in der Offiziersmesse muß man sich damit abfinden. Wie dem auch sei, der Kerl vergrub sich immer mehr in die Bibel und gewann daraus die Überzeugung, daß er keinen Eid schwören durfte. Und als er dann in diesem albernen Kriegsgerichtsprozeß gegen den armen Bentham als Zeuge aufgerufen wurde, da weigerte er sich — weigerte sich glatt, seine Aussage zu beschwören. Er sagte zu Old Jarvie, das verstoße gegen irgendeinen Vers in der Bibel. Tja, das hätte ihm bei Gambier, bei Saumarez oder einem anderen frommen Vorsitzenden geholfen, aber bestimmt nicht bei Old Jarvie. Er wurde gefeuert. Das tat mir leid für ihn, auch wenn ich ihn nie besonders mochte — offen gesagt, er roch auch noch schlecht —, aber er war ein recht passabler Seemann und ein ehrlicher Kerl. Das meinte ich vorhin, als ich sagte, Ihnen würde ein Eid nichts ausmachen — Sie sind kein Fanatiker.«
»Nein, gewiß nicht«, antwortete Stephen. »Ich bin kein Fanatiker. Ich wurde von einem Philosophen erzogen, und davon ist einiges an mir hängengeblieben. Er hätte einen Eid als kindisch abgetan — als überflüssig, falls er freiwillig geleistet wurde, und als eine mit Recht zu scheuende oder zu ignorierende Farce, wenn man dazu gezwungen wurde. Als einen Widerspruch in sich. Schließlich sind heute nur noch wenige Menschen, Ihre Teerjacken eingeschlossen, Schwächlinge genug, um an Earl Godwins Sprüche zu glauben.«
Sie verfielen in Schweigen, während der Tee serviert wurde. »Nehmen Sie Milch, Doktor?« fragte Jack schließlich.
»Ja, bitte.« Stephen war offenbar in Gedanken versunken, seine Augen blickten ins Leere, seine Lippen waren zu einem lautlosen Pfeifen gespitzt.
»Ich wünschte nur ...«, begann Jack.
Aber Stephen unterbrach ihn. »Die Leute sagen, sich zu einer Zwangslage zu bekennen sei schwächlich oder zumindest taktisch unklug«, begann er. »Doch Sie waren so offen zu mir, daß ich gar nicht anders kann, als Ihnen ebenso ehrlich zu antworten. Mit Ihrem Vorschlag, Ihrem Angebot, führen Sie mich ernsthaft in Versuchung. Denn ganz abgesehen von den Komplimenten, die Sie mir freundlicherweise gemacht haben und die ich von ganzem Herzen erwidere, muß ich zugeben, daß ich hier auf Menorca praktisch gestrandet bin. Der Patient, den ich bis zum Herbst betreuen sollte, ist verstorben. Ich habe ihn für einen Mann von Vermögen gehalten — er besaß ein Haus am Merion Square —, aber als Mr. Florey und ich seine Hinterlassenschaft sichteten, bevor wir alles versiegelten, fanden wir nichts von Wert, weder Geld noch Kreditbriefe. Seine Diener hatten sich abgesetzt, was einiges erklären mag. Seine Freunde antworten nicht auf meine Briefe. Der Krieg hat mich von meiner kleinen Rente in Spanien abgeschnitten, und als ich Ihnen vorhin gestand, daß ich schon lange nicht mehr so gut gespeist hätte, war das nicht im übertragenen Sinne gemeint.«
»Oh, wie schockierend, das zu hören!« rief Jack. »Ihre Verlegenheit macht mich zutiefst betroffen. Wenn die — die res angusta Sie
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