Kurs auf Spaniens Kueste
albernen, engstirnigen Haß verfolgt würden ... Aber Sie geben auf diesem Stuhl wirklich eine jämmerliche Figur ab.« Ein Kinderlied anstimmend, ging er zu der Schlange hinüber, die — obwohl stocktaub wie jede Natter — ihm vergnügt ins Gesicht sah und sich davontragen ließ.
Als erstes besuchten sie Mr. Brown von der Werft, wo sie nach Begrüßung, Vorstellung und Glückwünschen zu Jacks Erfolg das b-Moll-Quartett von Mozart spielten. Sie forcierten das Tempo mit Fleiß und viel gutem Willen, wobei Miß Brown gefühlvoll, aber zaghaft die Bratsche spielte. Weil sie dieses Stück nicht geprobt, ja sogar noch nie zusammen gespielt hatten, war das Ergebnis extrem holprig. Aber sie musizierten mit immenser Freude an der Sache, während ihr Publikum, die wohlwollend strickende Mrs. Brown und eine weiße Katze, zufrieden dabeisaß und die Darbietung vollauf zu genießen schien.
Jack war überströmend guter Laune, aber aus Respekt vor der Musik hielt er sich während des Quartetts in Zaum. Erst beim anschließenden Mahl — Fasan, glasierte Zunge, Sillabub, Flammeri und Käsekuchen — ging sein Temperament mit ihm durch. Durstig stürzte er zwei oder drei Gläser Schaumwein hinunter, ohne es überhaupt zu merken. Sogleich wurde sein hochrotes Gesicht noch vergnügter, seine Baßstimme noch maskuliner und sein häufiges Lachen noch lauter. Er schilderte der Tischgesellschaft plastisch bis ins Detail, wie Stephen die Schädeldecke des Stückmeisters abgesägt und so perfekt wieder aufgesetzt hatte, daß er danach besser aussah als je zuvor. Und von Zeit zu Zeit wanderten seine strahlend blauen Augen zu Miß Browns Busen, der nach der neuesten Mode dieses Jahres (vergröbert durch die Entfernung von Paris) nur mit einem sehr, sehr durchsichtigen Stückchen Gaze bedeckt war.
Stephen erwachte endlich aus seinen Tagträumen, als Mrs. Browns Miene immer ernster wurde, Miß Brown verlegen auf ihren Teller niederblickte und Mr. Brown, der ebenfalls eine Menge getrunken hatte, eine Anekdote zu erzählen begann, die keinesfalls ein geziemendes Ende finden würde. Mrs. Brown hatte großes Verständnis für Offiziere, die lange Zeit auf See gewesen waren, besonders wenn sie drei Prisen erbeutet und deshalb guten Grund zur Fröhlichkeit hatten; aber bei ihrem Ehemann war sie weniger duldsam, zumal sie seine Geschichten seit langem kannte, fast so lange wie seinen glasigen Blick. »Komm, meine Liebe«, sagte sie deshalb zu ihrer Tochter, »ich denke, wir lassen die Herren jetzt besser allein.«
Molly Hartes Abendgesellschaft war eine große, bunte Veranstaltung, auf der fast alle Offiziere, Geistlichen, Beamten und Kaufleute Mahóns, kurz die Honoratioren Menorcas, erschienen. Es wurden so viele Gäste, daß sie ein Zeltdach über Señor Martinez' Patio spannen ließ, um sie darunter zu bewirten, während die Militärkapelle vom Fort St. Philips in einem Raum, der sonst die Amtsstube des Oberkommandierenden war, für sie aufspielte.
»Erlauben Sie mir, Ihnen meinen Freund — meinen speziellen Freund — und Marinearzt Dr. Maturin vorzustellen«, sagte Jack und führte Stephen zu ihrer Gastgeberin. »Und dies ist Mrs. Harte.«
»Ihr Diener, Madam.« Stephen machte seinen Kratzfuß.
»Ich bin hocherfreut, Sie bei uns zu sehen, Sir«, versicherte Mrs. Harte — fest entschlossen, den Arzt abscheulich zu finden.
»Dr. Maturin, Kapitän Harte«, fuhr Jack fort.
»Freut mich«, antwortete Kapitän Harte, der längst eine heftige Abneigung gegen beide gefaßt hatte, wenn auch aus anderen Gründen. Dabei blickte er über Stephens Scheitel ins Leere und hielt zwei schlaffe Finger dicht vor seinen Hängebauch. Stephen blickte demonstrativ auf sie nieder, ließ sie dort baumeln und neigte seinen Kopf mit einer höflichen Arroganz, die so genau seiner herablassenden Begrüßung entsprach, daß Mrs. Harte ihre Meinung änderte und Dr. Maturin ins Herz schloß. Sie schritten weiter, um Platz für die nächsten Gäste zu machen, denn der Andrang war groß; die Marineoffiziere erschienen alle binnen Sekundenfrist zur festgesetzten Zeit.
»Da ist ja Lucky Jack Aubrey!« rief Bennet von der Aurore aus. »Bei meiner Seele, ihr jungen Burschen versteht es, euer Nest zu polstern. Ich kam ja kaum in den Hafen vor lauter Prisen. Natürlich wünsche ich Ihnen viel Glück damit. Aber lassen Sie draußen noch ein paar Prisen für uns alte Zausels übrig, damit wir im Ruhestand nicht am Hungertuch nagen müssen, ja?«
»Aber nicht doch,
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