Kurs auf Spaniens Kueste
Sir!« Jacks gerötetes Gesicht färbte sich noch dunkler, während er protestierend auflachte. »Das war bloß Anfängerglück. Nur zu bald wird es mich verlassen, da bin ich ganz sicher, und dann drehen wir alle wieder Däumchen.«
Ein halbes Dutzend Marineoffiziere, gleichrangig oder dienstälter, umstanden ihn und gratulierten ihm jetzt, die einen etwas traurig, andere neidisch, aber alle mit dieser unverhohlenen Gutmütigkeit, die Stephen bei der Marine schon öfter aufgefallen war. Schließlich driftete die ganze Gruppe zu einem Tisch mit Gläsern und drei enormen Punschbowlen hinüber, während Jack ihnen im breitesten Marinejargon bis ins einzelne berichtete, wie er seine Prisen aufgebracht hatte. Sie lauschten in gebanntem Schweigen, nickten heftig bei bestimmten Stellen und kniffen bei anderen halb die Augen zu. Stephen stellte für sich fest, daß totale Kommunikation zwischen Männern auf einem gewissen Niveau durchaus möglich war. Danach begannen er selbst und seine Aufmerksamkeit umherzuschweifen; mit einem Glas Arrakpunsch in der Hand bezog er schließlich Stellung neben einem Orangenbaum und musterte ganz zufrieden abwechselnd das Gewühl der Uniformen zu seiner Linken und durch das grün flirrende Laub zu seiner Rechten das Arrangement aus Sofas und Sesseln, auf denen die Damen in Erwartung der Eisbecher und Sorbets saßen, die ihre Männer ihnen zu bringen versprochen hatten. Doch auf die Seeleute zu seiner Linken warteten sie vergebens. So seufzten sie nur geduldig und hofften, daß ihre Ehegatten, Brüder, Väter und Liebhaber sich nicht allzu stark betrinken und, vor allem, daß sie keinen Streit anfangen würden.
So verging die Zeit. Ein Wirbel in der allgemeinen Rotation spülte Jacks Gruppe am Orangenbaum vorbei, und Stephen hörte seinen Freund sagen: »Heute gehen die Wogen hier aber verdammt hoch.«
»Schön und gut«, meinte ein Vollkapitän fast unmittelbar darauf, »aber Ihre Sophies waren an Land früher immer so ein ruhiger, anständiger Haufen. Kaum haben sie ein bißchen Geld in der Tasche, lassen sie die Puppen tanzen wie — na, ich weiß nicht —, jedenfalls wie eine Horde wildgewordener Affen. Meinem Vetter Oakes haben sie die Barkassencrew grausam zusammengeschlagen, mit der absurden Begründung, daß sie jetzt einen Internisten an Bord und deshalb das Recht hätten, vor der Barkasse eines Linienschiffes festzumachen, das bloß einen schäbigen Chirurgen hätte. Was für ein hirnverbranntes Argument! Das bißchen Vorschuß hat sie um den Verstand gebracht.«
»Tut mir leid, daß Kapitän Oakes' Bootsgasten verprügelt wurden«, sagte Jack mit ehrlicher Betroffenheit. »Aber ihre Behauptung stimmt. Wir haben jetzt wirklich einen Internisten an Bord — einen Künstler mit der Knochensäge und dem Klistier.« Voller Wohlwollen blickte Jack sich um. »Vor ein paar Minuten war er noch bei mir. Hat meinem Stückmeister den Schädel aufgesägt, das Gehirn rausgeholt, gerichtet und wieder reingestopft — ich konnte gar nicht hinsehen, meine Herren. Dann ließ er sich ein silbernes Kronenstück bringen, hämmerte es dünn und platt, bis es eine kleine Kuppel bildete — verstehen Sie? — oder ein Schüsselchen, packte es drauf, schraubte es fest und nähte den Skalp wieder zu, so sauber wie ein Segelmacher. Das nenne ich einen richtigen Internisten — keinen von diesen Pillendrehern und Zauderern. Ah, da ist er ja ...«
Mit freundlichem Hallo scharten sie sich um Stephen und drängten ihm ein frisches Glas Punsch auf: Sie hätten ihm alle schon tüchtig zugesprochen, er sei hervorragend, ein köstliches Gebräu, genau das richtige an einem so heißen Tag. Die Stimmen klangen wirr durcheinander, nur Stephen und ein gewisser Kapitän Nevin blieben wortkarg. Dem Arzt fiel Nevins nachdenklicher, nach innen gekehrter Blick auf — ein Ausdruck, den er nur zu gut kannte. Deshalb war er nicht überrascht, als er hinter den Orangenbaum geführt und von Kapitän Nevins ernster Stimme leise und vertraulich darüber informiert wurde, daß dieser große Schwierigkeiten hatte, selbst die leichtesten Gerichte zu verdauen. Kapitän Nevins Dyspepsie stellte die medizinische Fakultät seit Jahren vor ein Rätsel, »schon seit Jahren , Sir«, aber bestimmt würde sie vor Stephens überlegenem Wissen kapitulieren. Am besten zählte er jetzt gleich alle Symptome auf, an die er sich erinnern konnte, denn es handelte sich bei ihm um einen ganz seltenen, interessanten Fall, wie ihm Sir John Abel
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