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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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ernst genommen werden sollte, enthielt sich aber einer Stellungnahme und fragte statt dessen, ob er und seine Leute noch gebraucht würden.
    Wenzel sah sich um, blickte dann Pauline an, die zuckte mit den Schultern. Wenzel bedankte sich also für den Einsatz und versprach, über den weiteren Gang der Dinge zu informieren, es war ja immerhin ein interessantes Thema für die Ausbildung. Der Kordon wurde aufgelöst, die jungen Leute gingen zu ihrem Bus, stiegen ein und fuhren ab. Auch die beiden Ordner aus dem Wohngebiet verabschiedeten sich.
    Sie saßen nun zu dritt auf einer Parkbank, am Rande des freien Gipfelplatzes; auf der einen Seite hatten sie den Blick auf einen Teil der Stadt, auf der anderen Bäume und Büsche, der Platz war jetzt leer und friedlich.
    „Wozu soll ich Ihnen das eigentlich vorführen?“ fragte der Flattermann. „Sie glauben ja doch nicht dran, oder?“
    „Nein, ich glaube nicht daran, daß so etwas möglich ist“, sagte Wenzel aufrichtig. „Aber ich bin mit einer Sache beschäftigt, bei der bestimmte Gehirnwellen auftreten, und zwar oft bei großen psychischen Anstrengungen. Und ob Sie nun Erfolg haben oder nicht – eine große psychische Anstrengung liegt doch bei Ihnen vor, habe ich recht?“
    „Das ja“, sagte der Mann, schwieg einen Augenblick und stand dann auf. „Also gut, ich will Ihnen den Gefallen tun. Wir sind ja nicht gegen wissenschaftliche Unterstützung, wir sind nur dagegen, daß man uns von vornherein für blöde hält.“
    Er stieg auf die Bank, auf der sie gesessen hatten, Wenzel und Pauline waren auch aufgestanden und ein paar Schritte beiseite getreten. Ein paar Sekunden stand der Mann still, dann breitete er die Arme und sprang. Es war nichts Besonderes zu sehen an diesem Sprung, außer vielleicht, daß der Mann etwas plumpsend aufkam. Wenzel hatte den Absprung mit der Armbanduhr gestoppt, und sie gingen nun zu seinem Wagen, der auf dem Parkplatz am Fuß des Berges stand und in dem er ein tragbares Wiedergabegerät mitgebracht hatte.
    Die Aufnahme der EEG-Impulse war zwar eine Viertelstunde lang, aber da sie mit Zeitzeichen versehen war, hatte Wenzel den Absprung schnell gefunden: Das Gerät zeigte, wenn auch nur ganz kurz, G-Spindeln. „Da haben wir sie, sehen Sie, hier“, sagte Wenzel zu dem Mann, „das sendet Ihr Gehirn aus, wenn Sie springen.“
    „Wie lange ist das?“ fragte der Mann.
    „Zehntelsekunden“, antwortete Wenzel.
    „Länger nicht?“ Der andere wunderte sich. „Ich hatte das Gefühl, zwei, drei Sekunden zu schweben.“
    „Sind Sie nicht so was wie ein Übungsleiter?“ sagte Pauline. „Vielleicht sollten Sie einmal selbst Sprünge der anderen filmen, damit Sie Kontrolle über die Realzeit haben.“
    „Nein, nein“, sagte der Mann etwas verwirrt, „das heißt, mit dem Filmen, das ist schon gut, nur – Übungsleiter oder so was gibt es bei uns nicht.“
    „Aber Sie haben doch den anderen Zeichen gegeben, als ich kam?“ erwiderte Pauline.
    „Ja, das war, weil ich… Muß ich das beantworten?“ fragte er mit einer Wendung zu Wenzel. Offenbar war ihm Pauline wegen ihres rabiaten Eingreifens noch immer nicht ganz geheuer.
    „Sie müssen gar nichts“, sagte Wenzel, „aber ich glaube, es ist höchste Zeit, daß Sie Ihre Abkapslung beenden und sich ernsthafter Untersuchung stellen, bevor ein Unglück geschieht.“
    „Es ist so“, sagte der Mann zögernd, „daß jedesmal ein anderer die Zeichen gibt. Es wird nicht vorher festgelegt, wer, wenn das Kollektiv sich konzentriert – ja, wie soll ich sagen, einer merkt eben, ich bin es. Und heute war ich es. Zu Anfang.“
    „Und nach der Unterbrechung“, sagte Pauline mit plötzlicher Unruhe, „war es der andere, den ich umgerissen habe.“ Sie sah sich nach allen Seiten um. „Ob die wirklich nach Hause gegangen sind?“
    „Durchaus möglich, daß sie es noch mal versuchen“, sagte der Flattermann. Es klang nicht triumphierend, aber auch nicht schuldbewußt.



Pauline war ohne ein Wort losgelaufen, Wenzel spurtete hinterher. Als sie Sicht auf den Gipfelplatz hatten, war es schon zu spät. Etwa fünfzehn Leute liefen auf den Abhang zu und sprangen. Pauline erwischte den letzten noch am Rand des Abgrunds, warf ihn um und verletzte sich selbst dabei, ohne es zunächst zu merken.
    Drei Flattermänner starben, bevor die Rettungswagen eintrafen. Vier blieben lebenslang geschädigt.

    Sibylles Schlichterspruch war unterschiedlich bewertet worden. Es gab zwar kaum einen, der ihn nicht für

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