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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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daran – wahrscheinlich aber wohl zu stark, denn die Zitze spuckte gleich drei Klöße in sein Blatt. Es schmeckte wie – na ja, es schmeckte. Aber ein ganzes Leben lang?
    „Vorläufig noch ein Kompromiß zwischen Station und Siedlung“, sagte Sheila McPherson. „Könnten Sie sich vorstellen, daß man darüber eine ganze Eßkultur errichten kann?“
    „Vorstellen könnte ich’s mir schon“, sagte Ruben nachdenklich. „Das Sortiment ließe sich gewiß verbreitern, auch die Möglichkeit individueller Geschmackszurichtung oder -zutat ist vorstellbar, das Fehlen von Geschirr, Tisch und dergleichen läßt an eine peripatetische Eßkultur denken, Gespräche beim Umherwandeln, so etwa?“
    „Probieren wir das doch gleich, hier bitte, nehmen Sie sich ein Becherblatt, das stupsen Sie gegen eine Gelbzitze, dann haben Sie ein Getränk, und nun, worüber sprechen wir?“
    „Darüber, was Sie mit mir vorhaben“, schlug Ruben vor. Sheila lachte. „Also gut. Ich möchte Sie als Verbündeten gewinnen. Ich weiß, daß Ihnen die Idee im Kopf herumspukt, den Minosmond Esther zu besiedeln. Unsere Träume gehen in die gleiche Richtung.“ Ihr Gesicht wurde ernst. „Sie sind nicht so fernab der Verwirklichung, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag – aber Diskussionsgegenstand oder gar Projekt sind sie offiziell noch nicht. Ich möchte“, sagte sie, wandte sich ihm zu und lächelte offen, „daß Sie unsere Wirklichkeit erleben, uns rational und emotional erfassen. Welche Schlüsse Sie daraus ziehen, was Sie daraus machen und ob Sie überhaupt etwas daraus machen, das soll ganz und gar Ihre Sache sein. Wollen Sie?“
    Ruben nickte, hob dabei die Augenbrauen und stülpte die Lippen vor, so daß zu sehen war: Ebendas hatte er gewünscht.
    „Dann stehe ich Ihnen für die ganze Zeit zur Verfügung, Sie können mich alles fragen.“
    Das war natürlich eine generelle Erklärung, aber Ruben nahm sie wörtlich. „Wie lange sind Sie auf der Venus?“
    „Von Anfang an“, antwortete die Frau, etwas erstaunt.
    „Ich habe Ihren Namen nicht auf der ursprünglichen Teilnehmerliste gefunden“, erklärte Ruben seine Frage. Er spürte sofort, daß er an etwas Unangenehmes gerührt hatte. Das Gesicht der Frau verschloß sich und öffnete sich gleich darauf wieder.
    „Mein Mann gehörte zu den wenigen, die zur Erde zurückgekehrt sind. Ich habe daraufhin meinen Mädchennamen wieder angenommen.“
    „Sie waren demnach schon vor mehr als zwei Jahren auf dem Punkt, den Ihr Artikel markiert?“
    „Ja. Was da steht, ist länger als anderthalb Jahre von allen hier gründlich geprüft worden. Ich habe sozusagen nur ein Protokoll der allgemeinen Meinung abgeliefert.“
    Diese Bescheidenheit gefiel Ruben nicht. „Nachdem Sie die allgemeine Meinung entscheidend mitgeprägt haben“, sagte er, halb als Feststellung, halb als Frage.
    „Ich bestreite es nicht“, sagte sie in beiläufigem Ton, aber eine kleine, nicht unterdrückbare Kopfbewegung zeigte, daß sie stolz darauf war. Dann lächelte sie wieder. „Zufrieden mit meinem Psychogramm?“ fragte sie.
    Nun mußte Ruben lachen. Diese Redewendung, nur noch gebräuchlich unter erfahrenen, lang gedienten Raumfahrern, ging auf die so benannte Beschreibung der Persönlichkeit zurück, die noch vor zehn Jahren für unverzichtbar gehalten worden war, bis sich endlich die Erkenntnis durchgesetzt hatte, daß sich so schematisch keine Persönlichkeit erfassen ließ und daß sie gerade für kritische Situationen, in denen sie Sicherheit bringen sollte, absolut unzuverlässig war. Vielleicht war sie auch von der mächtigen Entwicklung der Persönlichkeiten überholt worden, die mit der massenhaften Produktion von Kunst und Kultur eingesetzt hatte und durch den sprunghaften Anstieg der Kreativität ausgewiesen war. So oder so – man hatte das Psychogramm als Einrichtung endgültig begraben, und nun war es schon fast vergessen.
    Der Spott hatte sie einander nähergebracht, oder richtiger, er hatte den Annäherungsprozeß abgeschlossen, der mit Rubens vertraulicher Frage begonnen hatte.
    „Für die übrigen Personalien haben wir noch genug Zeit, wenn wir fliegen“, sagte Sheila, „Sie müssen die Siedlung kennenlernen, um zu begreifen, daß unsere Ansichten und Absichten auf Tatsachen und Erfahrungen fußen und nicht auf Wunschträumen, wie manche Terraner meinen.“ Sie lächelte etwas spöttisch und beobachtete genau, wie er auf das Wort Terraner reagierte, mit dem die Erdbewohner

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