Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
bei mir auftauchte. Aber dann dachte ich …« Sie brach ab, und Erik war froh darüber.
»Warum also?«, fragte er noch einmal. »Warum hast du deine Zwillingsschwester vom Balkon gestürzt?«
»Ich hatte alles verloren. Sie war erfolgreich, sie hatte Geld, ich nicht. Sie hatte einen Mann, mir dagegen war es nie gelungen, jemanden an meiner Seite zu halten. Ihr glückte alles, mir nichts.« Matildas Lippen zitterten, der Hass war aus ihren Augen herausgetreten und nahm nun von ihrem ganzen Körper Besitz. Das Gesicht verzerrte sich, ihre Hände ballten sich zu Fäusten, ihr Mund verzog sich. Erik hätte den Raum am liebsten verlassen, so sehr stieß ihn Matildas Hass ab.
»Ich wollte das Leben führen, das sie hatte«, sagte sie und sah zwischen Erik und Sören hindurch auf die Wand neben der Tür. »Deswegen habe ich mit meinem Schwager eine Affäre begonnen. Deswegen habe ich in der Firma gearbeitet, als wäre es meine eigene. Ich kannte mich schon lange besser aus als Corinna. Aber ich musste lange üben, bis es mir gelang, mein Äußeres zu verändern, sodass ich wirklich mit ihr zu verwechseln war. Die Sache mit dem Make-up und der Frisur hat mich viel Zeit und Arbeit gekostet.«
»Welche Rolle spielte Ludo Thöneßen?«
Der Hass wich aus Matildas Gesicht und machte Verächtlichkeit Platz. »Ludo war ein Versager. Er hatte sich von Klaus über den Tisch ziehen lassen. So ein Idiot!« Sie stieß etwas aus, was sich wie ein Lachen anhörte, aber keines war. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass er auf Rache aus war. Anscheinend hatte er Klaus und mich schon eine Weile beobachtet. Er war der Einzige, der gemerkt hat, dass Klaus in mich verliebt war. Und eines Tages ist er uns gefolgt, um Fotos zu machen und uns damit zu erpressen.« Wieder spuckte sie ein abfälliges Lachen aus, das bei Erik für eine Gänsehaut sorgte. »Das saubere Gemeinderatsmitglied! Der gute Mensch, der sich nicht bestechen ließ! Ja, das mit seinem Saubermannimage hat er gut hingekriegt.«
»Du bist also von ihm erpresst worden?«, fragte Erik.
Sie nickte. »Er hat uns am Strand beobachtet. Und er hat gesehen, wie Klaus seinen Schlaganfall bekam.«
Sören beugte sich ungläubig vor. »Sie waren dabei, als Herr Matteuer den Schlaganfall hatte?«
»Ja, aber wenn ich Hilfe geholt hätte, hätte ich erklären müssen, warum ich mit Klaus an diesem einsamen Strandstück war. Ich hätte mich verraten.«
»Du hast ihn hilflos zurückgelassen?«, fragte Erik.
»Ich habe ihm seine Anstecknadel abgenommen«, antwortete Matilda völlig emotionslos, »denn sie hätte uns verraten. Er war ja so stolz auf diese Nadeln mit unseren Fotos. So wäre ich stets in der Nähe seines Herzens, hat er gesagt.«
Sören begann zu verstehen. »Ludo Thöneßen hat beobachtet, dass Sie Klaus Matteuer zurückgelassen haben?«
Matilda nickte. »Er selbst hat ihm natürlich auch nicht geholfen. Er fand, dass es Klaus ganz recht geschah. Er hatte endlich seine Rache. Und mich konnte er erpressen, damit er finanziell endlich wieder auf die Beine kam. Schmiergelder hat er nicht angenommen, er wollte ja weiterhin der Saubermann bleiben. Die Ehe mit dem Pornostar war ihm nur verziehen worden, weil er angeblich so ein anständiger Kerl war.«
»Womit hat er dich erpresst?«, fragte Erik.
»Er wollte das Bistro im Gesundheitshaus haben. Dafür sollte ich sorgen. Und natürlich wollte Ludo das Bistro geschenkt, er hatte ja keine Kohle. Aber wie sollte ich das drehen? Er wollte Matteuer-Immobilien dann sogar offiziell unterstützen. Da er als integer galt, hätte er die Bürgerinitiative vielleicht tatsächlich beruhigen können.«
Erik ahnte, was nun kam. »Du bist zum Schein auf die Erpressung eingegangen?«
Matilda nickte. »Ludo musste weg. Ich hatte gar keine Wahl. Und da ich schon mal dabei war …«
Sören war es, der diesen grauenhaften Satz vollendete: »… konnte Ihre Schwester auch weg?«
Matilda blieb eiskalt. »Ich habe mich in ihre Rolle eingefügt. Einmal habe ich es ausprobiert und bin als Corinna zu Ludo gegangen.«
Die Erkenntnis sprang Erik an. »An dem Abend, als Ina Müller ihr Konzert auf Sylt gab?«
Matilda nickte. »Sie wollte Ina Müller unbedingt sehen. Und ich bin als Corinna zu Ludo gegangen und habe ihm gesagt, ich wüsste, dass meine Schwester und mein Mann ein Verhältnis hatten. Aber ich hätte den beiden verziehen, er hätte also keinen Grund mehr, Matilda zu erpressen.« Sie grinste schief. »Himmel, war der wütend! Vor allem,
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