Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Pornostar endlich mit eigenen Augen zu sehen. Erik verspürte den dringenden Wunsch, seinen Assistenten auf den Boden der amtlichen Tatsachen zurückzuholen, ehe sein Diensteifer von den riesigen Silikonbrüsten erschlagen wurde.
»Ich habe mit der Staatsanwältin telefoniert«, sagte er. »Sie schickt einen Durchsuchungsbeschluss für das Apartment von Corinna Matteuer und Matilda Pütz. Besonders Matildas Zimmer werden wir uns vornehmen.«
Sören nickte, trotzdem war Erik nicht sicher, ob seine Worte nur Sörens Ohren, oder auch sein Gehirn erreicht hatten.
Also setzte er noch einen drauf. »Wir sollten uns auch bei Dennis Happe umsehen. Wissen Sie, in welchem Hotel er wohnt?«
Endlich konnte Erik sicher sein, dass er verstanden worden war. »Ich rufe bei Matteuer-Immobilien an«, bot Sören an und nahm den Blick immer noch nicht von der Waggontür, aus der Sila Simoni steigen würde. »Dort wird man wissen, wo er logiert.«
An Wiebke Reimers’ Verhalten war zu erkennen, dass Sila Simoni nun jeden Moment aussteigen würde. Wiebke bewegte sich mit gezückter Kamera rückwärts, um dem Pornostar Platz zu geben und die beste Perspektive zu erhalten.
Sila Simoni hatte alles getan, um nicht aufzufallen, aber es war nicht genug. Mit der riesigen Sonnenbrille erreichte sie bei dem trüben Wetter genau das Gegenteil von dem, was sie beabsichtigte. Ihre wasserstoffblonde Haarpracht hatte sie zwar unter einem Seidentuch versteckt, aber ihre aufgespritzten Lippen waren nicht zu verbergen, und auch ihre Silikonbrüste zeichneten sich unter der Jacke so deutlich ab, dass sich auf dem Bahnhof Westerland im Nu herumsprach: Sila Simoni ist angekommen! Und wer Zweifel gehabt hatte, gewann Sicherheit, als Wiebke Reimers um den Pornostar herumsprang und Fotos machte, was das Zeug hielt. Schon liefen die ersten Autogrammjäger mit gezückten Kugelschreibern und Notizblöcken auf Sila zu. Die aber senkte den Kopf, um niemanden ansehen zu müssen, und wedelte Wiebke mit einer verärgerten Handbewegung zur Seite, was ihr jedoch wenig nützte. Wiebkes Kamera klickte weiter.
Erik war es schließlich, der sich schützend vor Sila Simoni stellte. »Ich werde dafür sorgen, dass Sie ins Hotel kommen, ohne belästigt zu werden.«
Sila sah ihn dankbar an, entgegnete jedoch nichts. Sie ging an ihm vorbei und steuerte auf die Tür der Bahnhofshalle zu. Nur diejenigen, die immer noch auf ein Autogramm hofften, folgten ihr hinein. In der Mitte der Halle stand ein großer Mann, der einen Autoschlüssel um den rechten Zeigefinger drehte. Auf ihn steuerte Sila Simoni zu und begrüßte ihn kurz. Erik sah verwundert zu, wie der Autoschlüssel den Besitzer wechselte. »Die Papiere liegen im Wagen«, sagte der Mann zu ihr. »Ein schwarzer Mercedes! Er steht direkt vorm Eingang.«
Sila Simoni nickte, entließ ihn mit einem kleinen Lächeln und kümmerte sich um die Autogrammjäger, die ihre Unterschrift auf das gekritzelt bekamen, was sie gerade zur Hand hatten. Bei den meisten handelte es sich um die Zugfahrkarte.
»Ich habe mir einen Leihwagen bestellt«, sagte sie dann.
Erik sah enttäuscht aus. »Ich hatte Ihrem Manager gesagt, dass ich Sie abhole und ins Hotel bringen werde.«
Nun erhielt auch er das Lächeln, für das Sila Simoni neben ihren gewagten Brüsten berühmt war. »Danke, das ist nett von Ihnen. Aber ich fahre lieber selbst. Außerdem habe ich kein Hotel gebucht. Ich fahre ins Squashcenter.«
»Was wollen Sie da?«, fragte Erik verblüfft.
Ihr Lächeln verschwand. »Das geht Sie zwar nichts an, aber … ich werde in Ludos Apartment ziehen.« Sie schien Erik anzusehen, dass er sie vor dem winzigen, mit Möbeln vollgestellten Zimmer warnen wollte, ließ ihn aber nicht zu Wort kommen. »Ich weiß, dass es nicht besonders komfortabel sein kann. Aber ich finde es richtig, dass ich dort absteige. Schließlich war Ludo immer noch mein Mann. Ich bin seine Witwe.« Nun sah sie Erik an, als wollte sie ihm vorwerfen, dass er ihr nicht kondoliert hatte. »Wenn Sie Fragen an mich haben, wissen Sie also, wo Sie mich erreichen.«
»Wenn Sie gestatten, folge ich Ihnen ins Squashcenter. Ich würde gerne so bald wie möglich mit Ihnen reden.«
Sie zuckte die Schultern. »Meinetwegen.« Dann ging sie auf die Tür der Bahnhofshalle zu, ohne sich darum zu kümmern, ob er ihr folgte.
Erik stieß Sören an, der sich in Silas Kehrseite vertiefte und darüber seinen Beruf und seine Aufgabe vergaß. »Kommen Sie! Wenn wir mit ihr geredet haben,
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