Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
versuchte sie ihn zu trösten: »Ich glaube, es gibt noch andere Verdächtige. Warum sollten Sie auch Dennis Happe umbringen wollen? Sie haben doch kein Motiv!« Unsicher sah sie zu Tove und wieder zurück zu Fietje. »Oder etwa doch?«
Fietje beeilte sich zu antworten: »Ich kannte den gar nicht. Jawoll!«
Aber Tove fuhr mit der Grillzange auf ihn los. »Natürlich kanntest du den! Der hat dich vor ein paar Tagen noch vor seinem Fenster erwischt und dir mit Anzeige gedroht. Verdammter Spanner! Wenn das kein Motiv ist! Jeder weiß doch, dass du den Job verlierst, wenn du dich noch einmal erwischen lässt!«
»Und du?«, ereiferte sich Fietje, der sonst selten die Stimme erhob. »Du hast ihm Prügel angedroht, als er gesagt hat, das Bistro bekäme ein anderer.«
»Na und? Ich bekomme es ja! Also habe ich auch kein Motiv, Dennis Happe umzubringen.«
»Hast du das schriftlich? Dieser Investorin würde ich kein Wort glauben.« Fietje griff zu seinem Bierglas und leerte es zügig. So viele Sätze auf einmal brachte er nur selten heraus, das schaffte er nur mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr. Und Flüssigkeit war für ihn Bier, ganz egal, um welche Tageszeit es sich handelte.
»Die hat gesagt, ich kriege das Bistro, also kriege ich es auch.« Tove spuckte den Zahnstocher verächtlich zu Boden und griff nach dem nächsten.
Mamma Carlotta, die sich eigentlich aus dem Streit heraushalten wollte und betont gleichgültig das Inselblatt durchblätterte, merkte auf. »Das hat Corinna Matteuer wirklich gesagt?«
Tove riss ihr die Zeitung weg und schlug die vorletzte Seite auf. Mit ketchupverschmiertem Zeigefinger pochte er auf eine Stelle, die nun unter den roten Flecken nur noch schwer zu erkennen war. »Imbissstube zu verkaufen!«, las Mamma Carlotta. Dann sah sie Tove entgeistert an. »Käptens Kajüte?«
»Man kann sich nicht früh genug umsehen!«
Mamma Carlotta war fassungslos. Und ihr hatte Corinna Matteuer angeboten, dafür zu sorgen, dass Niccolò das Bistro bekam! Was war das nur für eine Frau! Schade, dass sie Erik nicht vorhalten konnte, wie unzuverlässig Corinna war, wie charakterlos und wetterwendisch! Mit einer solchen Frau hatte er die Nacht verbracht! Mamma Carlotta war drauf und dran, nach einem Glas Montepulciano zu fragen. Aber sie bezwang sich. Nein, für Alkohol war es noch zu früh. Und dass Rotwein keine Probleme löst, sondern nur für neue sorgt, wusste sie genau.
Sie schob sich vom Barhocker herunter. »Ich wäre mir nicht so sicher, dass Sie das Bistro bekommen! Ich weiß zufällig, dass Corinna Matteuer es auch einem anderen versprochen hat.«
Tove warf einen Löffel in den Heringsstipp, der prompt auf die benachbarten Grillspieße spritzte. »Wer ist das Schwein? Wer hat mich da ausgestochen?«
Mamma Carlotta sonnte sich in ihrem Informationsvorsprung. »Ich weiß von mindestens zwei Bewerbern um das Bistro.«
»Die Kerle bringe ich um! Einen nach dem andern! Sagen Sie schon! Wer sind die beiden?«
Mamma Carlotta dachte erschrocken an ihren Neffen Niccolò und war froh, dass er nicht in der Nähe war. »Das weiß ich nicht«, behauptete sie.
»Waren Sie dabei, als die Matteuer ihnen das Bistro versprochen hat?«
Mamma Carlotta waren diese Fragen viel zu direkt. Sie holte Kleingeld aus ihrer Jackentasche, legte es auf die Theke und setzte eine so hochmütige Miene auf, als wäre es unter ihrer Würde, sich aushorchen zu lassen.
Tove wischte mit einem Scheuerlappen die weiße Soße des Heringsstipps von den Grillspießen. »Ist mir auch egal«, knurrte er. »Die Matteuer muss mir das Bistro geben. Da bleibt ihr gar nichts anderes übrig …«
Auf diese Behauptung wäre Mamma Carlotta gerne eingegangen, aber da sie ihren Hochmut nicht durch Neugier klein machen wollte, verzichtete sie auf die Frage, wie Tove sich da so sicher sein konnte. Vermutlich hätte sie sowieso keine Antwort bekommen.
»Und was ist, wenn das Gesundheitshaus überhaupt nicht gebaut wird?«, fragte sie provozierend. »Die Bürgerinitiative wird alles tun, um das zu verhindern.« Sie zog die Mundwinkel herab. »Ihre Gegendemonstration hat nichts bewirkt. Oder glauben Sie das etwa? Ich würde jedenfalls noch warten mit dem Verkauf von Käptens Kajüte. Am Ende stehen Sie ohne alles da. Ohne die Imbissstube und ohne das neue Bistro!«
Tove riss sich die Schürze herunter und griff nach dem Schlüssel, der an einem Haken neben der Küchentür hing. Er war schon an der Tür, ehe seine verdutzten Gäste begriffen
Weitere Kostenlose Bücher