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Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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Kongressteilnehmer es benutzt und hier hat stehen lassen.«
    Aldo Klotz meinte, sich verhört zu haben. Was ging sie diese Bagatelle an? Die ständige Bevorzugung durch die Vizequästorin musste dem Kollegen zu Kopf gestiegen sein.
    Klotz lag eine barsche Antwort auf der Zunge. Ein Geräusch aus der Scheune ließ ihn innehalten. Jäh blieb er stehen. Comploi tat es ihm gleich. Auf Zehenspitzen schlichen sie näher. Das waren Stimmen, ganz eindeutig. Gut, die konnten auch Arbeitern gehören, die sich in der Scheune zu schaffen machten. Doch die hätten wohl mehr Lärm verursacht und sich nicht auf das Murmeln beschränkt, das gedämpft nach außen drang.
    »Haben Sie Ihre Dienstwaffe dabei«, raunte Klotz seinem Kollegen zu. Der schüttelte den Kopf.
    Typisch. Klug daherreden, aber wenn man ihn einmal brauchte, taugte er zu nichts, dachte Aldo. Dass er selbst ebenfalls nur ungern eine Waffe trug, ignorierte er geflissentlich. Dafür schnappte er sich eine der Holzlatten, die auf dem Stapel lagen, und bedeutete Comploi, es ihm gleichzutun.
    Derart unzulänglich bewaffnet lugten die beiden Männer um die Ecke des aus Steinen gemauerten Gebäudes. Klotz vornweg, Comploi dicht dahinter. Die Tür der Scheune stand halb offen, die Stimmen waren deutlicher zu vernehmen.
    Aldo vermeinte ein »Er ist ohnmächtig. Wir brauchen Wasser« zu verstehen. Im dem Moment sah er zwei Männer. Sie beugten sich über einen dritten, der am Boden lag.
    »Polizei, lassen Sie sofort den Mann los«,   schrie er. Mit gezückter Holzlatte trat er auf die Gruppe zu.
    Im Augenwinkel sah er, wie Comploi ihm zögerlich folgte. Die beiden Männer sahen zu den Beamten hoch. In dem Moment hörte er hinter sich eine Stimme.
    »Arthur, um Himmels willen, was ist passiert?« Jenny Sommer stürmte auf die Gestalt zu, die auf einem Haufen notdürftig zusammengeschütteten Strohs lag.
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    1 mundartlich: Herrgottsakrament!

SECHZEHN
    Im Restaurant Sissi,   dem   Gourmetrestaurant Merans, schob Vizequästorin Franca Bertagnoll den Teller ein Stück von sich. Gemeinsam mit ihr genoss eine kleine honorige Gesellschaft, bestehend aus dem Bürgermeister, dem Kulturstadtrat, dem Symposiumsleiter Professor Maurice Jungmann und der Sponsorin Kateryna Maximowa, die kulinarischen Vorzüge des Hauses. Sie hatten sich hier zu einem Mittagessen versammelt, um letzte Details für den Musikwettbewerb zu besprechen, der am Freitagabend im Großen Kursaal über die Bühne gehen sollte. Das Restaurant war nicht nur wegen seiner ausgezeichneten Küche gewählt worden. Das Sissi verfügte neben dem lichtdurchfluteten, eleganten Speisesaal auch über eine Stube aus dem 18. Jahrhundert. Der holzvertäfelte, abgeschlossene Raum im oberen Stockwerk des Gebäudes bot den perfekten Rahmen für Gäste, die neben Gaumenfreuden auf eine gewisse Privatsphäre Wert legten.
    »Es werden vier Ensembles antreten. Jeder von ihnen gibt drei Stücke zum Besten. Die Jury unter dem Vorsitz von Frau Maximowa wählt die beiden besten Gruppen aus. Diese treten ein zweites Mal auf. Wer gewinnt, entscheidet das Publikum durch Akklamation«, fasste Maurice Jungmann den Ablauf des Wettbewerbes zusammen. »Die Gewinner erhalten einen Geldpreis, den Frau Maximowa zur Verfügung stellt. Darüber hinaus hat unsere geschätzte Sponsorin«, Jungmann erhob sich ein klein wenig und deutete gegenüber der Ukrainerin eine Verbeugung an, »auch für die anderen Teilnehmer Anerkennungsbeträge vorgesehen. Ich schlage vor, dass Sie, Herr Bürgermeister, die Urkunden und die Schecks gemeinsam mit Frau Maximowa überreichen.«
    Der Angesprochene betupfte sich mit der Serviette die Lippen. Er nickte zustimmend. Gerade wollte er das Wort ergreifen, als plötzlich der Kulturstadtrat von seinen Papieren, die er bis dahin stirnrunzelnd studiert hatte, aufsah.
    »Wieso ist nur von vier Ensembles die Rede? Laut meinen Unterlagen sollten es fünf sein.« Der Mann deutete auf den Blätterstapel, der neben seinem Teller lag.
    »Sie haben vollkommen recht, Herr Stadtrat«, beeilte sich der Professor zu versichern. »Bedauerlicherweise ist einem Ensemble   die Geige abhandengekommen. Da sich so schnell kein geeigneter Ersatz für das Instrument finden lässt, haben sie ihre Teilnahme am Wettbewerb abgesagt.«
    Der Bürgermeister, der sich seiner Nachspeise widmete, ließ den Löffel auf den Teller klirren. »Abhandengekommen. Was soll das heißen?«, polterte er. Unwirsch sah er zu Maurice Jungmann, der auf der anderen Seite

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