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Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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ihr zu folgen. Bis Dorf Tirol war es für ihn einfach gewesen. Immer wieder waren sie auf der Strecke Radfahrern begegnet, sodass er selbst nicht besonders auffiel. Auf dem schmalen Weg zum Schloss war größere Vorsicht geboten. Zu nah durfte er hier nicht an Sascha herankommen.
    Um nicht erkannt zu werden, zog er es daher vor, sein Rad zu schieben, und saß nur kurz auf, wenn er Sascha aus den Augen verloren hatte. So folgte er ihr bis zum Eingang der Burg, wo Kristl bereits wartete. Sascha stellte ihr Rad ab. Gemeinsam gingen die beiden einen abschüssigen Weg hinunter, der sie an die Rückseite der Burg und zu dem Platz auf der Wiese führte, auf dem sie an ihrem Werk arbeiteten. Malkasten, Papier und ein Becher stammten aus Kristls Schultasche. Das Wasser hatten sie sich aus einem Brunnen weiter unten am Weg geholt.
    Von seinem Beobachtungsposten aus konnte Lenz alles gut sehen und hören. Gesprochen wurde allerdings ohnehin nicht viel, was wohl an Saschas geringen Deutschkenntnissen lag. Nur hin und wieder gab Kristl mündliche Anweisungen, die meiste Zeit verständigten sich die beiden durch Handzeichen, Nicken und Kopfschütteln.
    »Jetzt kimmt die Nas’n«, sagte Kristl und deutete auf die Zeichnung, die sie der anderen hinhielt. Die nickte stumm und tunkte ihren Pinsel in die Farbe.
    Lenz wandte sich ab und blickte auf die tieferliegenden Gebäude. Was die zwei Mädchen vorhatten, war klar. Sie wollten eine Kopie des verschwundenen Bildes anfertigen. Zu welchem Zweck? Sie konnten doch nicht ernsthaft annehmen, dass sie mit ihren Wasserfarben auch nur annähernd ein Bild malen konnten, das dem Vergleich mit dem originalen Ölgemälde standhielt. Oder etwa doch? Lenz beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und trat hinter seinem Stamm hervor.
    »Griaß enk, was malt’s denn da Schian’s?« Obwohl er sonst Hochdeutsch mit nur leichtem Südtiroler Akzent sprach, hatte er sich diesmal instinktiv für den heimatlichen Dialekt entschieden. Zumindest Kristl könnte das ein wenig Vertrauen einflößen. Die sah auf und antwortete, ohne zu zögern: »Des isch da Oswald von Wolkenstein. Kennsch du den?«
    Lenz wollte antworten, nahm jedoch eine Bewegung wahr. Sascha hatte sich aus ihrer knienden Position aufgerichtet und war ihm Begriff wegzulaufen. Den Pinsel hatte sie einfach zu Boden fallen lassen.
    Diesmal entkam sie ihm nicht, dachte Lenz. Er packte das Mädchen und hielt sie mit beiden Armen fest. Sascha wehrte sich verbissen. Mit voller Wucht trat sie ihm gegen das Schienbein, sodass er laut aufschrie. Gleich würde er sie loslassen müssen. Denn erstens machte er sich vermutlich irgendeines Vergehens schuldig, wenn er sie gewaltsam festhielt. Und zweitens hatte er keine Lust, sich von ihr weiterhin attackieren zu lassen. Genau das hatte sie offenbar vor, denn sie setzte an, ihn wie ein tollwütiger Hund in die Hand zu beißen.
    Lenz lockerte seinen Griff. Plötzlich trat Kristl auf Sascha zu. »Beruhig di, Sascha. Des isch a Südtiroler, der tuat nix.« Immer wieder wiederholte sie ihre Worte und streichelte dabei Saschas Arm, deren Widerstand tatsächlich erlahmte. Lenz bezweifelte, dass das Mädchen aus der Ukraine Kristls Worte tatsächlich verstanden hatte. Das unablässige Murmeln und Streicheln hatte anscheinend auf Sascha dieselbe Wirkung wie auf ein junges, ungestümes Pferd. Das Mädchen beruhigte sich tatsächlich.
    Lenz ließ sie los und wandte sich wieder dem Bild zu. Die beiden Mädchen taten es ihm gleich. »Sehr schön hast du das gemacht, Sascha. Wo hast du so gut malen gelernt?«
    Die Angesprochene schwieg. An ihrer Stelle antwortete Kristl auf Lenz’ Frage: »Gell, sie isch a Künschtlerin. I kann a guat zeichnen. Obr mit die Farb’n isch sie die Bessere.« Kristl griff zu der Zeichnung, die zuvor Sascha als Vorlage gedient hatte, und hielt sie Lenz hin: »Schaug, des han i g’macht.«
    »Schian isch des. Du hasch a a groaßes Talent«, lobte Lenz.
    Kristl strahlte: »Moansch schonnna?«
    Lenz bejahte und sie fuhr fort: »Mir hom uns beim Konzert auf der Burg kenneng’lernt. Sie isch mir glei aufg’fallen, weil sie immer etwas kritzelt hat. Na hab i si ang’redt. Gell, Sascha?«
    Fragend sah sie zu ihrer Kameradin, die – ob sie nun verstanden hatte oder nicht – nickte.
    »Wie kemp’s es dazua, krad des Bild zu malen?«
    »I han es beim Peter Mitterer g’segn und sie bei ihrer Mutter im Medaillon. Des Bild vom Peter isch weg und mir zwoa mochen a nujes 2 .«
    Lenz

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