Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
Vom Netzwerk:
bei sich getragen und der Entführer des Professors zugleich der Mörder des Malers war, hatte der Verbrecher den verräterischen Artikel sicherlich längst an sich genommen und vermutlich vernichtet. Er und seine Kollegen würden jedenfalls gut daran tun, der Dotoressa Sommer ab sofort mehr Glauben zu schenken.
    Wenn er allerdings an Klotz’ wütende Reaktion dachte, mit der er auf das Auftauchen der Frau in der Scheune reagiert hatte, zweifelte er daran, dass man ihr nun die gebührende Aufmerksamkeit schenken würde. Zugegeben, sie hatte eine Amtshandlung gestört. Allerdings war nichts passiert, die beiden Verdächtigen hatten sich ohne Widerstand abführen lassen.
    Dass Klotz Jenny Sommer festgenommen hatte, hielt Comploi für eine überzogene Reaktion. Er konnte nur hoffen, dass die Hauptkommissarin Bertagnoll seinen Kollegen wieder zur Vernunft brachte.
    »Herr Doktor, der Patient ist zu sich gekommen.« Unbemerkt war eine Schwester ins Zimmer getreten und hatte dem Arzt einen Zettel mit einer handschriftlichen Notiz überreicht. Er las sie und erhob sich.
    »Professor Kammelbach hat ein paar Worte gesprochen. Meine Mitarbeiterin hat sie geistesgegenwärtig notiert. Es scheint mir allerdings zusammenhangloses Zeug zu sein.« Der Arzt reichte Comploi das Blatt Papier. »Vielleicht können Sie etwas damit anfangen. Ich sehe nach dem Patienten.«
    Comploi wollte dem Doktor folgen. »Sie warten hier. Der Zustand des Professors ist nach wie vor kritisch«, beschied der Arzt und eilte mit wehendem Kittel in Richtung Intensivstation. Marco Comploi sah auf das Notizblatt und las: ›Es ist das Rechte, das Rechte …‹
    Er konnte sich nicht vorstellen, was der Professor damit meinte.
    *
    In ihrem Büro im Grand Hotel legte Kateryna Maximowa den Hörer des Zimmertelefons auf. Sie hatte getan, was sie tun konnte. Nachdem sie im Sissi innerhalb kurzer Zeit wieder zu sich gekommen war, hatte sie darauf bestanden, dass man ein Taxi rief, das sie ins Hotel gebracht hatte. Sie hatte gemerkt, dass die Vizequästorin sie gerne an Ort und Stelle vernommen hätte.
    Doch Kateryna hatte sich mit dem Hinweis, dass es ihr nicht gut gehe und ihr im Hotel ein Arzt ihres Vertrauens zur Verfügung stehe, der Befragung entzogen. Schließlich hatten sie sie ziehen lassen – nachdem Franca Bertagnoll ihr eingeschärft hatte, sich für die Einvernahme zur Verfügung zu halten.
    Im Hotel hatte Kateryna zunächst tatsächlich den Arzt aufgesucht, war jedoch anschließend in ihr Büro geeilt. Nach dem, was der Mann ihr eröffnet hatte, hatte sie allen Grund, rasch zu handeln. Sie fühlte sich etwas schwach, hatte jedoch keine Zeit, die Beine hochzulegen. Dazu würde sie früh genug Gelegenheit haben.
    Kateryna stand auf und ging um ihren Schreibtisch herum. Ihr Blick fiel auf die lackierte Oberfläche aus blankpoliertem Mahagoniholz. Rasch nahm sie die Fotografie an sich, die dort lag. Versonnen betrachtete sie das Bild.
    Ein Poltern ließ sie hochschrecken. Die Tür wurde aufgerissen und Sascha stürmte herein.
    »Sie haben Tony verhaftet. Das habe ich nicht gewollt. Es tut mir so leid. Ich wollte das Medaillon nicht stehlen, nur das Bild malen, weil Tony es doch nicht mitgebracht hat …«
    Kateryna hörte sich die Beichte ihrer Tochter an, bis diese geendet hatte.
    »Mein Liebling, Tony ist nicht wegen des Medaillons verhaftet worden.«
    »Nicht?« Sascha hob den Kopf, von dem die Basecap zu Boden geglitten war, und schaute ihre Mutter mit großen Augen an.
    »Nein, sei unbesorgt. Frau Dr. Sommer hat das Medaillon gefunden und mir heute Morgen zurückgebracht. Ich war mir sicher, dass du es nicht in böser Absicht genommen hast.«
    Sascha blieb skeptisch. »Warum haben sie Tony denn verhaftet?«
    Kateryna wollte antworten, besann sich jedoch. Bisher hatte Sascha alles daran gesetzt, die Verbindung zu hintertreiben. Da konnte es dem Mädchen nur recht sein, wenn der gehasste Mann ins Gefängnis wanderte.
    »Du warst doch ohnehin nicht damit einverstanden, dass ich Tony heirate. Da müsste dir seine Verhaftung doch gelegen kommen«, stellte sie ihre Tochter auf die Probe.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich habe gestern mit meinem Vater telefoniert. Er hat mir gesagt, ich hätte einen Bruder bekommen.« Sascha spuckte verächtlich auf den Teppich. Kateryna wollte sie zurechtweisen, unterließ es allerdings. Sie wollte ihre Tochter lieber weitersprechen lassen.
    »Er hat ein Kind mit der neuen Frau«, stieß Sascha hervor. »Da

Weitere Kostenlose Bücher