Kurt Ostbahn - Blutrausch
Wickerl zehn, der Auer-Garten nicht mehr der Familie Auer gehört hat, weil es die Familie Auer nicht mehr gab. Der Vater war im Ausland, unauffindbar, und mit ihm sehr viel Geld, das eigentlich seinem Chef gehört hat.
Der Wickerl war von da an mit seiner Mutter allein, und der Kontakt zur Elfi ist abgerissen. Ein paar Jahre später, bei einem Bandwettbewerb, hat die Elfi den Wickerl dann mit seiner ersten Gruppe gehört. Der Wickerl hat ganz lausig Baß gespielt und die Band ganz lausige Cover-Versionen von Led Zeppelin.
Aber die alte Freundschaft ist neu entflammt, und weil die Elfi nun einmal ein großes Herz hat, hat sie den Wickerl, der am Baß ebenso geschwommen ist wie im Leben, von nun an immer wieder aus der Scheiße gezogen. Und mehr aus sozialen, denn aus musikalischen Gründen zu „Mom & Dead“ geholt.
Doch der Wickerl hat sich, wie zu erwarten war, der Herzensgüte seiner einstigen Spielgefährtin und jetzigen Bandenchefin als nicht würdig erwiesen.
„Im letzten halben Jahr gab’s, glaub ich, keine Woche ohne Wickel mit dem Wickerl“, sagt Donna.
Höhe- und Endpunkt dieser traurigen Entwicklung: Wickerls sturzbetrunkenes Zuspätkommen zu jenem Konzert vor Vertretern von Thunder-Records, das den Vertragsabschluß besiegeln sollte (und dank Donnas persönlichem Einsatz letztendlich auch besiegelt hat). Und das mysteriöse Verschwinden von 30.000 Schilling, die Donna ihrer Jugendliebe vom Produktions-Akonto der Plattenfirma zur Anschaffung einer neuen oder zumindest funktionstüchtigen Baßanlage zugeschossen hat.
Vier Wochen lang hielt der Wickerl Donna und die Kollegen am Schmäh, um dann in einer schwachen Stunde, die seine letzte in den Reihen von „Mom & Dead“ sein sollte, zuzugeben, daß die 30.000 Blatt zwar fort waren, aber keine neue Baßanlage angeschafft wurde.
„Ich hab ihm nach dem Rausschmiß sogar noch zwei Jobs vermittelt, wo er genug verdient hätte, um mir seine Schulden zurückzuzahlen. Aber der Arsch hat sie natürlich geschmissen, weil er plötzlich die Erleuchtung hatte, wie man ans ganz große Geld kommt und sich aus lauter Vorfreude jedes Gift reingezogen hat, das er in die Finger kriegen konnte. Unzuverlässig war er immer schon, der Wikkerl, aber in der letzten Zeit war er echt unberechenbar.“
Das hat Donna also dem Team Brunner/Skocik erzählt, und die Herren sind sichtlich zufrieden mit ihrer Ausbeute wieder gegangen.
Was sie ihnen nicht erzählt hat, weil das nur sie und den Wickerl (und jetzt auch mich) was angeht, ist die ganze AAS -Geschichte.
Die hätte die Kieberer, vor allem den jungen Lustmolch Skocik, sicherlich sehr interessiert. Und sie hätten, wie das der ahnungslose Spießer und seine Spießgesellen von der Polizei nun einmal so tun, sofort auf Lust- oder Ritualmord im Satanisten-Milieu getippt und Donna zur sexuell abartigen Oberhexe gemacht, die gern zarte Knaben schlachtet. Oder zumindest mit anderen Hirnkranken konspirativ verkehrt, die dem Leibhaftigen nachts auf der Sechshauser Straße gern Menschenopfer darbringen.
Kein Wort daher über das Verschwinden der Videobänder, und große Erleichterung, daß sie einem aufgeschlossenen, toleranten, grundehrlichen, sympathischen, phantasiebegabten, netten älteren Herrn wie mir in die Hände gefallen sind.
„Wann hat dir der Wickerl die Cassetten eigentlich gefladert?“ frage ich.
„Am Montag. Letzten Montag.“
„Und zwei Tage drauf, am Mittwoch in der Nacht, hat ihn wer abgestochen“, sage ich.
Aber Donna hört nicht zu. Sie will, daß ich ihr zuhöre.
„Paß auf, das war so. Ich hab am Montag Nachmittag den Gily vom Flughafen abgeholt. Das is ein guter Freund aus LA, und der hat mir endlich die AAS -Tapes mitgebracht, die mir der Don und die Sheena, also die Spears, schon seit fast einem Jahr versprochen haben. Der Gily und ich haben uns ein, zwei Geräte reingezogen, beim Pizzadienst was zum Essen bestellt, uns vorm Fernseher eingeparkt und in die Bänder reingeschaut. Die Performance war ja vor fast einem Jahr, da vergißt man inzwischen die Details, und der Gily und ich haben uns zerkugelt, als wir die ganzen Typen wieder gesehen haben.
Auf einmal tanzt der Wickerl an. Das war so um acht, halb neun. Voll auf seiner schnellen Mischung. Weiß alles, kann alles, checkt alles. Du hast ihn ja eh gekannt. Jedenfalls überreicht er mir zwei Tausender und ein bißl Gras, sozusagen als Anzahlung und Versöhnungspresent, hockt sich zu uns vor die Kiste und macht auf alter Freund des
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