Kurt Ostbahn - Blutrausch
dilettantische Gesprächsführung die wirklich essentiellen und sensationellen Enthüllungen der Donna Tomschik verhindert hat.
Tatsächlich ist es so, daß Donna dem Elefantenarsch nie Lust und Freude spenden mußte, da sie den gutdotierten Job als AAS -Girl Don Spears’ geschäftstüchtiger Frau Sheena verdankt. Oder genauer: Freund Gily, den Donna vor zwei Jahren, bei ihrem ersten Besuch in Los Angeles kennengelemt hat, und Gilys Stiefvater, einem ausgeflippten Designer namens Claude Levy, den angeblich alle Welt kennt (nur ich nicht), weil er der Erfinder von“Louis Lait“ ist, dem lustigen Strichmanderl, das den französischen Kindern in Comics und Trickfilmen das Milchtrinken schmackhaft macht, und der wiederum (Claude Levy, nicht Louis Lait) ein Freund von Sheena Spears ist und für die AAS viele Klamotten, die Donna ganz besonders geil findet, und das Firmen-Logo, das der Trainer, der Doc und ich für ganz besonders undiabolisch halten, entworfen hat.
„Noch einmal zum Mitschreiben“, sage ich.
Ich habe nach der sechsten Biertulpe aufgehört mitzuzählen, und jetzt komme ich mit den vielen fremdländischen Namen nicht mehr ganz klar.
„Wer is jetzt dieser Gily?“
„Das is der Gily“, sagt Donna und zeigt auf den Billa -Sack neben mir.
„Dein - wie sagt man? - Tanzpartner? Der schwarzhaarige Feschak?“
„Feschak! Der Gily is der schönste Mann, den ich je gesehen hab. Der Gily is mein Dream Lover“, sagt Donna und sieht für mindestens zehn Sekunden aus wie Elfi, die Nette, über beide Ohren verliebt.
„Eh, ein fescher Bursch“, sage ich, um den“Feschak“ wieder vom Tisch zu kriegen, „vielleicht werden eines schönen Tages die Träume wahr.“
„Red keinen Scheiß“, sagt Donna. Oder es ist Elfi und hat Liebeskummer.
Ich will mich nicht festlegen. Ich muß aufs Klo.
Auf dem langen Marsch zum Bad- und Toilettensektor von Donnas Wohnpark komme ich an ihrer großzügig dimensionierten Schlafstelle vorbei.
Zwischen Immergrün und der Maske eines venezianischen Pestdoktors hängt ein großformatiges Schwarzweißfoto: der schöne Gily und ein Mädchen, das aussieht wie er, stehen mit wehenden Haaren auf einer Klippe, im Hintergrund die tosende See. Gily und sein weibliches Double tragen Bikerstiefel und jeder einen mit Spikes besetzen Lederhandschuh. Sonst sind die beiden nackt.
Ich muß länger vor dem Foto gestanden sein, als mir zusteht. Denn Donna kommt den weiten Weg aus ihrem Kiva zu mir, nur um mir zu sagen:
„Verschau dich nur nicht.“
„Schon passiert“, sage ich.
„Das war vor zwei Jahren, kurz nachdem ich sie kennengelernt hab. Eine Aufnahme für Photoplay. Da haben sie noch miteinander gearbeitet. Ein paar Monate später hat der Gily das erste Mal durchgedreht. Da war ich schon wieder in Wien. Und Sarah hat mir geschrieben, daß er versucht hat, sich umzubringen.“
„Sarah und Gilbert“, sage ich.
„Sarah und Gilbert“, sagt Donna. „Ich weiß.“
Sie mustert mich skeptisch.
„Was is los? Der Gily hat inzwischen schon drei weitere Selbstmordversuche überlebt. Er will nicht wirklich sterben. Er is nur schwer auf destruktiv unterwegs. Kommt in den besten Familien vor.“
„Hast du zufällig was Schärferes im Haus?“ frage ich.
Donna hat. Und Elfi macht sich einstweilen Sorgen.
„Du schaust drein, als wär dir grad ein Gespenst begegnet“, sagt sie.
„Sowas ähnliches“, sage ich. Und wäre jetzt in diesem Augenblick liebend gern im verrauchten, stinkenden Bandbus auf der Nachtfahrt von, sagen wir, Dornbirn nach Wien: die Partie brüllt, wie vom bösen Affen gebissen, durcheinander, daß jeder am Fehler des anderen Schuld sei und umgekehrt und zum Quadrat, und der Trainer und ich versuchen, bereits von dröhnendem Kopfschmerz gequält, sowas ähnliches wie System ins allgemeine Chaos zu bringen, was daran scheitert, daß zwei Drittel der Busbesatzung Alkohol in rauhen Mengen zu sich genommen hat und der Rest lieber der Tanzmusik auf Bestellung aus dem Regionalradio lauscht. Der blanke Irrsinn. Aber aushaltbar. Geradezu ein Refugium, verglichen mit diesen Urlaubstagen.
„Was hast du mit den Levy-Zwillingen zu tun?“ fragt Elfi.
„Ich kenn ihre Mutter“, sage ich schwach.
26
Die Welt ist klein. Weiß ich. Und war mir auch recht so, bis zum heutigen Tag.
Aber wenn sich nach zwei toten Halbwüchsigen, einem schwerverletzten Ex- Rallye fahrer und Kaffeehausbesitzer, einem zu Gewalttätigkeit neigenden Friedhofsgärtner, seinem
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