Kurt Ostbahn - Blutrausch
zufällig der Lockvogel?“ frage ich Brunner in der Tür.
„Alles was passiert, Herr Doktor, passiert nur zu Ihrer Sicherheit“, sagt er, „Künstler sind oft kopflos und unberechenbar. Und bevor Sie sich durch irgendeine spontane Aktion, deren Konsequenzen Sie gar nicht abschätzen können, in Gefahr begeben, hab ich Sie lieber in meiner Nähe.“
„Verstehe“, sage ich.
„Wir bleiben in Verbindung“, sagt Brunner und küßt der Dame des Hauses zum Abschied die Hand.
„Unbedingt“, sage ich.
34
Elfi macht Spaghetti. Ich mach den Wein auf. Und nach dem ersten Achtel einigen wir uns darauf, daß ein Leben in Lebensgefahr auch seine angenehmen Seiten haben kann.
Unten vorm Haus wachen zwei Fachleute über unser Wohlergehen, Brunner und der Schlächter sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und lassen uns in Frieden, und Donna hat heute Ausgang (oder kiefelt an ihrer fatalen Männerpolitik), also können sich Elfi und ich völlig ungestört im Speisesektor des Wohnparks an Nudeln al dente, Sugo aus der Dose und einer Flasche wohltemperierten Chianti delektieren.
Das Tischgespräch ist auch nicht ohne.
„Du kannst gern fernsehen, oder Platten hören oder dich in die Badewanne legen“, sagt Elfi.
„Super“, sage ich.
„Schon komisch“, sagt Elfi dann nach einem Schluck Wein.
„Was?“
„Nix. Nicht so wichtig.“
„Sag.“
„Daß du da bist.“
„Schicksal.“
„Meinst?“
„Weiß nicht.“
„Ich find’s angenehm.“
„Detto.“
„Ich hab mir dich ja ganz anders vorgestellt. Viel fertiger. Und nicht so nett.“
Ich gebe Elfi, der Netten, das Kompliment zurück und wechsle rasch, sozusagen aus Gründen der inneren Sicherheit, auf neutrales Terrain.
„Was macht die AAS eigentlich in einem Animierlokal? Ich persönlich hätt mir vom Fürsten Astaroth einen originelleren Partyraum erwartet. Die Kapuzinergruft zumindest. Oder ein Bierzelt am Friedhof der Namenlosen.“
„Du bist nicht am Laufenden“, lacht Elfi, „Provokation und Blasphemie passen nicht ins neue Marketingkonzept. Die AAS expandiert, erschließt neue Märkte und Käuferschichten. Und die Kundschaft der Zukunft will ihren Gummischwanz und ihr Leder-Outfit für den strengen Abend zu zweit, aber von den Mächten der Finsternis will sie nix wissen.“
Das ist der Weg aller Dinge. Da hat einer eine Vision, kämpft mit einer Handvoll Jünger und Getreuen jahrelang ums nackte Überleben, und wenn das Ding dann endlich greift, ist es nach einer starken Saison reif fürs Familienprogramm. Glattgebügelt, eingeebnet, ausgelutscht.
Die AAS steht vor dem Ausverkauf. Astaroth und Behemoth sollten sich schleunigst nach neuen Botschaftern umschauen. Vielleicht haben sie das aber auch schon längst getan, und unser Mann, der Schlächter von Sechshaus, schnetzelt Donnas Lover in ihrem Auftrag? Brunner sollte morgen nicht vergessen, ihn danach zu fragen.
„Die Thanksgiving-Party findet heuer zum Beispiel erstmals in Las Vegas statt“, plaudert Elfi, „im Veranstaltungssaal irgendeines Monsterhotels mit angeschlossenem Casino. Da wird’s ungefähr so hart hergehen wie am Maturaball. Irgendwie schade. Aber andererseits: so wirklich Bock auf sowas wie letztes Jahr hab ich sowieso nicht, nachdem was in den letzten Tagen alles passiert ist.“
„Und die Party morgen? Worauf darf man sich freuen?“
„Vergiß es. War nicht meine Idee. Das gehört auch zum neuen Marketingplan und findet überall in Europa statt, wo die AAS mehr als 25 Kunden hat. Den Abonnenten der News und allen Kunden, die im letzten Jahr brav aus dem Katalog bestellt haben, wird bei Speis und Trank die neue Kollektion vorgeführt. Apropos: Der Jungbulle, der mir immer unter den Rock schaut, hat heute meine Einladungsliste mitgehen lassen. Er hat sich dabei so patschert angestellt, daß es ein Blinder merken hätt müssen, aber ich hab besser nix gsagt.“
Mit Bewachern vom Kaliber eines Skocik kann man so richtig beruhigt dem morgigen Abend entgegenblicken.
Ich behalte die in mir aufkeimende Panik lieber für mich. Sollte dieser Abend der letzte in Elfis kurzem Leben sein, dann hat sie es sich verdient, finde ich, ihn so gemütlich und sorgenfrei wie möglich zu verbringen.
Sie hat Lust auf eine Dokumentation über das Leben einer Pandabärenfamilie im Schweizer Fernsehen. Ich entscheide mich für eine Stunde in der Wanne. Als Untermieter einer Duschkabine, der den Luxus eines Wannenbades nur von den Sonnentagen seines Tourneelebens kennt,
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