Kurt Ostbahn - Peep- Show
Bier.
»Herr Stelzhammer?« eröffnet der Doc taktisch klug das Gespräch.
»Polizei?« fragt der Erwin zurück.
»Es geht um Ihre Exfrau, die Rikki«, sagt der Trainer. »Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für uns?«
»Schlecht. Weu i bin im Dienst. Aber i hab Ihnere Kollegen eh schon alles gsagt, was i waaß.«
»Vielleicht sprechen Sie trotzdem mit uns, Herr Stelzhammer«, sagt Trash, der die Abneigung des Hilfspolizisten gegen seine pragmatisierten Kollegen schnell erkannt hat. »Wir sind nämlich nicht von der Mordkommission, sondern arbeiten in privatem Auftrag. Es geht um die Verlassenschaft der verstorbenen Frau Horvath.«
»Aso?« meint Erwin plötzlich höchst interessiert. »Gibts do wos?«
»Ein ganz ansehnliches Wertpapierdepot, als eiserne Reserve, soviel ich weiß«, lügt der Doc munter weiter. »Aber darüber dürften wir eigentlich gar nicht mit Ihnen sprechen. Es geht nur um die Frage, ob Sie zu den Erbberechtigten gehören — oder ob Ihre Ex nach der Scheidung einen neuen Lebensgefährten hatte.«
»Ah wos, neuer Lebensgefährte!« wehrt Erwin empört ab. »Da war nur der Trottel, der Dietrich, auf dens so feucht war in der letzten Zeit. Sie war total happy, daß endlich an Frankisten hat, verwitwet no dazua - aber dann hats schnell mitkriagt, was sie sich mit dem Nudelaug eintreten hat. A Beamter, da hab i scho gfressen! De san so gsehn oft die Ärgsten ...«
»Inwiefern?« erkundigt sich der Trainer.
In diesem Augenblick gibt Erwins Walkie-Talkie eine Folge krächzender Geräusche von sich, die in etwa wie »Krambambulispüfalackilogoli« klingen.
»Tschuldigen, die Herren, aber i muaß weg«, sagt der Angefunkte. »A dringender Einsatz drüben im Spielzeuggschäft. Aber wenns mehr wissen wegen der Erbschaft, treff ma uns doch um siebene, weil da hab i Dienstschluß. Sag ma, drüben in der Pizzeria, schräg gegenüber von der U-Bahn - beim Azzuro, kennens vielleicht eh. Wenns dem Tonio derzähln, daß i Ihnen gschickt hab, bringt er Ihnen die › Caramba Spezial ‹ Des is so ein Gerät ...«
Er streckt die Arme aus, um zu demonstrieren, daß seine Lieblingspizza zirka den Durchmesser eines LKW-Reifens hat. Dann salutiert er lässig, verabschiedet sich mit einem »Alles Roger?« und eilt zum Einsatz.
»Wenn solche Typen im Einzelhandel für Recht und Ordnung sorgen, kauf ich in Zukunft auch nur mehr im Internetz ein«, meint der Trainer.
***
»Das hat mir gerade noch gefehlt, daß ich hier an einem Frühlingsnachmittag mitten im transdanubischen Ghetto sitzen muß«, nörgelt Dr. Trash und reibt sich die blutunterlaufenen Augen. »Manchmal könnte ich den Kurt wirklich füsilieren! Fährt einfach weg und hängt uns seine Probleme an - und diesen grauslichen Skocik noch dazu.«
Der Trainer zuckt die Achseln, stopft sich das letzte Stück Leberkässemmel in den Mund und meint nur: »Is ja nix Neues. Die wirkliche Arbeit bleibt immer bei uns hängen.« Er wirft das fettige Einwickelpapier resigniert in die Grünanlage und denkt an seine neue Liebe in Graz, die ihn mittlerweile wahrscheinlich genauso verflucht wie all seine alten Lieben.
Gerade hat der Doc den Bericht über sein erfolgloses Gespräch mit Dr. Schraake, dem piefkinesischen Anlageberater der Russenmafia, bei dem die Rikki in der Kreide stand, beendet. »Schaut ned gut aus«, denkt der Trainer. Aber das behält er jetzt lieber für sich, um seinen Partner nicht noch mehr zu deprimieren. »Zwei Stunden noch«, sagt er Stattdessen und unterdrückt mühsam einen Rülpser.
Da sich die weite Heimreise vor dem Pizzeria-Termin nicht mehr ausgezahlt hätte, sind die schwer übernächtigen Ermittler in eine Grünanlage nahe dem Donauzentrum retieriert. Dort haben sie sich auf der einzigen halb-wegs sauberen Parkbank niedergelassen - zwei matte, blasse Gestalten, die zusehends in den Kaisermühlen-Blues verfallen. Rund um sie herum kollidieren krakeelende Dreijährige auf ihren Dreirädern, besorgte Kindertanten suchen die mit Kondomen und Einwegspritzen übersäten Gebüsche nach ihren Schutzbefohlenen ab, und elefantiasisgeschädigte Hausfrauen in hautengen Leggings unterhalten sich angeregt über die neuesten Entwicklungen in der Lindenstraße.
Der Trainer schüttelt heftig den Kopf, als wollte er aus einem bösen Traum erwachen, und fischt dann einen Packen schlampig gefalteter Zettel aus der Brusttasche seines Lederjankers.
»Folgendes«, sagt er. »Die Bettina und ich haben Rikkis Tagebuchnotizen quergelesen. Und was
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