Kurt Ostbahn - Peep- Show
los.
Unten auf der Straße liegt der Erwin immer noch unbeweglich da, den rechten Arm ganz unnatürlich abgewinkelt, die Jeans blutrot. Und die Marktfahrerträume vom großen Geld, vielleicht mit einem eigenen Frühlingsrollenstandl beim nächsten André-Heller-Zirkus-Spektakel am Rathausplatz, rinnen aus einer großen, klaffenden Kopfwunde in den Kanal. Seine Lippen bewegen sich ohne Worte, spucken Speichel und rosaroten Schaum.
»Wie bitte?« fragt der Doc und beugt sich tief zu dem Sterbenden hinunter.
Der Erwin röchelt und hustet, dann sagt er mit letzter Kraft: »Hat er mi do no dawischt, der Oasch ...«
Kapitel 7:
»Der Trainer speibt«
Die Vormittagssonne holt den Trainer mit gleißender Kraft aus seinen wüsten Träumen. Er schlägt die Augen auf und schließt sie gleich wieder. Hinter seinen Lidern tanzen rote Luftballons und gentechnisch manipulierte Grapefruits vor einem schwarzweiß flimmernden Hintergrund. Das hysterische Spektakel löst in rascher Folge Kopfschmerz, Ohrensausen und Gleichgewichtsstörungen aus.
Als er sich auf seiner Bettstatt aufrichtet, verschlimmert sich die Krise noch. Das Schlafzimmer schwankt wie ein Segelboot in Seenot, und der Trainer möchte sich am liebsten über die Reling hängen und kotzen. Auch akustisch ist in der ansonsten so idyllischen Meidlinger Mansarde die Hölle los. In der Küche kreischen und wummern Skunk Anansie aus dem schwer baßlastigen Micro-Tower, im Badezimmer ist der Doc offenbar mit dem Abschlagen der Fliesen oder dem Zertrümmern des Waschbeckens beschäftigt, und noch dazu schrillt ohne Unterlaß das Telefon.
Ein vorsichtiges Blinzeln auf das Display des Videorecorders bestätigt dem Trainer, was der Kurtl an Lebensweisheit zum besten gibt, wenn im Studio wieder einmal mehr pausiert und getrunken als musiziert und gesungen wird: »Die Uhr tickt unerbittlich!«
»DO«, dringt es in einem scheußlichen Grün in die verschwollenen Traineraugen, und daneben: »11 Uhr 14.«
Was bedeutet: Das Ultimatum, das Kommissar Skocik vorletzte Nacht im Espresso Rosi gestellt hat, ist in nicht ganz 13 Stunden abgelaufen. Aber was sind schon 13 Stunden, wenn man die vergangene Nacht mit der Vernichtung einer Flasche Tequila zugebracht hat, weil sämtliche Spuren im Sand verlaufen sind und ein vielversprechender Informant unter den Rädern eines auf den ersten Blick harmlosen Familienwagens sein Leben ausgehaucht hat, ohne vorher ausgespuckt zu haben, was er über Rikki und ihre Männer weiß? Was sind 13 Stunden, wenn man die Unschuld von Kurt Ostbahn beweisen soll, jedoch bereits an der relativ leichten Aufgabe scheitert, aus dem Bett zu steigen und das Telefon abzuheben?
So gut wie nichts, denkt der Trainer resigniert und will sich schon wieder die Steppdecke über den Kopf ziehen, als die Tür zum Badezimmer mit einem Knall auffliegt und Trash wilden Blicks in den Schlafraum stürmt.
»Na, endlich auf?!« brüllt der Doc in einer Lautstärke, daß im geplagten Schädel des Trainers ungefähr 20.000 Gehirnzellen spontan Selbstmord begehen. »Also los, ans Werk! Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
»Ja, ja, is scho recht ...«, murmelt der soeben Erwachte und umklammert mit beiden Händen seinen Kopf. Er begreift nicht, wie der Doc schon so entsetzlich wach sein kann — wo er doch mindestens genausoviel Alkohol konsumiert hat. Und ausschauen tut er auch, als hätte der Tod in den letzten Tagen ein paarmal an seine Tür geklopft: die ansonsten tadellose Frisur total zerrauft, die Ringe unter den Augen groß wie Mokka-Untertassen und eine Gesichtsfarbe wie aus »Nacht der lebenden Toten«. Außerdem, das sieht der Trainer trotz seines Jahrhundertkaters mit erschreckender Deutlichkeit, hängt seinem Ermittlerkollegen ein beachtliches Rotzglöckerl aus dem linken Nasenloch. Muß sich wohl verkühlt haben, der Arme, gestern im wilden Transdanubien ...
»Stell einstweilen einen Kaffee hin«, sagt der Trainer, als er sich aus dem Bett schwingt und schnurstracks in den Naßraum eilt, wo er erst einmal vor dem Porzellanaltar auf die Knie fällt und alles loswird, was ein echter Mann frühmorgens so loswerden muß, wenn er zu viele Bruce-Willis-Filme zu wörtlich genommen hat.
Damit ist er zwar noch nicht bereit für den Tag — aber immerhin für das, was sein schwer überforderter Anrufbeantworter ihm mitteilen will.
***
Das treue Gerät hat 17 Botschaften gespeichert, seit es vor nicht ganz eineinhalb Tagen das letzte Mal abgefragt wurde. Jetzt ist die
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