Kurt Ostbahn - Peep- Show
drei Spielmodule in der Känguruhtasche ihres Sweatshirts verschwinden ließ und danach auffallend unauffällig zum Ausgang schlenderte.
»Wannst mi ned sofort auslaßt, schrei i, du Wixer«, sagt die Kleine, als sie der Erwin durch die Stahltür in eines der vielen Stiegenhäuser des Donauzentrums schieben will. Sie ist höchstens fünfzehn, aber ihre Figur, zumindest das, was man unter der weitgeschnittenen Kleidung erkennen kann, zeugt davon, daß sie die Pubertät bereits erfolgreich hinter sich gelassen hat. Ehrlich gesagt, ist das auch der Hauptgrund, warum der Erwin ihrem Schwarzweißbild so gern von Bildschirm zu Bildschirm folgt, wenn er wieder einmal einen langen Nachmittag im Dienstzimmer der Haussicherheit absitzen muß.
Normalerweise treibt sich Jana mit ihren Freunden herum — einer Bande Halbwüchsiger in Schlabberhosen, Pudelhauben und XX-Large-T-Shirts, die jede Minute ihrer Freizeit in den Hallen des Einkaufszentrums verbringen. Oft auch die Vormittage, weil sie sich durch exzessives Schulstagln am besten auf ihre trostlose Zukunft als Jungarbeitslose vorbereiten können. Sie schlurfen mit hängenden Schultern zwischen den Geschäften, Imbissen und Elektronikmärkten herum, begrüßen ihre Kumpane mit verschwörerischen Handzeichen und einem schwer dialektgefärbten »Jo, Motherfacka!« und greifen sich angeberisch in den Schritt, sobald ein weibliches Wesen aus ihrer Clique daherkommt.
Der Erwin versteht das alles nicht, aber es mißfällt ihm. Als er in dem Alter war, war man natürlich auch kein Waserl, aber wenigstens trieb man sich im Freien herum, bis man genug Geld für ein Cola-Rot zusammengeschnorrt hatte. Und die holde Weiblichkeit zeigte damals noch freizügig, was sie im Angebot hatte, indem sie ihre Krapferln aus knallengen Pullundern quellen ließ und sich für den Ausritt auf der auffrisierten KTM den kürzesten Minirock anzog.
Mit diesem Generationskonflikt wird der Erwin aber locker fertig. Auf seine Art.
»Wannst schreien willst, dann schrei«, rät er Jana. »Aber du weißt eh, wer dann kummt, oder? Ganz genau. Die Heh. Und die wird a wissen wollen, wos du da alles in dein Tascherl hast.«
Kaum ist die Notausgangstür hinter ihm und Jana zugefallen, übernimmt der diensteifrige Erwin höchstpersönlich die Perlustrierung seines Opfers. Er läßt sich Zeit dabei, denn im Stiegenhaus ist man ungestört, und die Drohung mit der Polizei hat der goscherten Kleinen sozusagen den Nipf genommen. Sie läßt sich von Erwin ohne Widerrede durchsuchen, abgrapschen und befingern.
»Wann i di noch einmal dawisch, dann gemma zu mia ins Büro, und es setzt a Anzeige«, sagt der Sicherheitsmann, nachdem er die entwendete Spielelektronik umständlich aus der Bauchtasche des schamroten Mädchens geholt hat. »Waaßt eh, wos des haaßt? Kaisersteinbruch! Jugendstrafanstalt! Dort sans ned so freundlich zu dir wia i. Des kannst ma glauben. Und jetzt schleich di.«
Eigentlich wäre es ja Erwins Aufgabe gewesen, die Kleine der Polizei zu übergeben, aber er erspart sich den unnötigen Papierkrieg lieber. Von den Kieberern hält er eh nicht besonders viel. Ein Glück, daß seine einzige Vorstrafe — pikanterweise wegen Ladendiebstahls — mittlerweile aus den Akten getilgt ist. Sonst hätte er nämlich Pech gehabt bei der Bewerbung um den Halbtagsjob als Wachorgan. Und mit seinem privaten Waffenschein für die Heckler & Koch erst recht.
»Nur ned anstreifen«, ist daher seine Devise, an die er sich in diesem Fall nur allzugern hält. Irgendwann in den nächsten paar Wochen wird ihm die Jana schon wieder Unterkommen. Vielleicht geht dann sogar ein bißl mehr hinein als heute ...
Aber jetzt ruft die Pflicht. Der Erwin zieht den Bauch ein, setzt die verspiegelte Sonnenbrille auf, rückt seinen Gürtel mit dem Funkgerät zurecht und geht im vollklimatisierten Einkaufsparadies auf Streife.
Der Dirty Harry ist nichts dagegen.
***
»Do kummt er eh grad, der Herr Stelzhammer«, meint der Regalbetreuer und zeigt auf den Erwin, der soeben aus der Videoabteilung in die CD-Straße mit dem großen Angebot an Volkstümlichem, Schlager und Musical eingebogen ist.
Trainer und Trash sagen Dank und gehen auf den Gesuchten zu. Eigentlich, denkt der Trainer, kann der echte Erwin mit dem falschen aus der Rauchfangkehrergasse muskeltechnisch nicht wirklich mithalten. Er ist zwar auch überzeugter Vokuhila-Träger und von massiger Statur, aber diese Masse zeugt eher von ungesunder Ernährung und sehr viel
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