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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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ihn“, kommentiert der Doc seine kleine Werkschau des Frido Knapp und verbreitert sich dann über „die Dichotomie von Weiblichkeit und Passivität einerseits sowie Männlichkeit und Dominanz andererseits, die das Knapp’sche Werk auf ebenso provokante wie effektive Weise aufgehoben hat, mit dem erstaunlichen Ergebnis, daß sich die moderne Frau durch seine fetischistische Fotografie in ihrer Kreativität, ihrer Stärke und ihrem Selbstvertrauen bestätigt findet“.
    Schön langsam kommt mir dieser Nachmittag bei Leitungswasser und Brandreden über die gesellschaftsverändernde Kraft des Strumpfbandgürtels ziemlich spanisch vor: Zuerst redet der Doc kein Wort, dann redet er wie ein Buch, und ich weiß immer noch nicht, was Strapse und das Kitzsteinhorn, der Fotokünstler Frido Knapp und die Theorien des rotfleckigen Doktors mit meiner Mumie in der Auhofstraße zu tun haben.
    „Und du kennst also diesen Frido persönlich?“ unterbreche ich den Doc in seinen Ausführungen. Er starrt mich an, als hätte ich ihn mit brutaler Gewalt von einer Abenteuerreise zu einem fernen Planeten zurück in diese schnöde Welt geholt.
    Dann schlurft er wortlos zur Ablage neben seinem Laserdrucker, und wie er da so in seinen Papieren kramt, sieht er aus wie der traurigste Mann der Welt.
    „Nix für ungut, Doc“, sage ich leise und könnte mich dafür in den Arsch beißen, dem Doktor mit meiner Frage womöglich zu nahe getreten zu sein. Aber andererseits: die Uhr tickt. Axel, Ronnie und die Leiche warten. Und wir haben nicht ewig Zeit.
    „Natürlich kenne ich Frido Knapp“, sagt der Doc in mein betretenes Schweigen und hält dabei einen Computerausdruck hoch. „Natürlich kenne ich diesen Kretin. Und du kennst ihn auch.“
    Dann drückt er mir das Blatt Papier in die Hand. Es ist ein Zeitungsausschnitt aus Doktor Trash’s unergründlichem Computerarchiv. Ein paar Zeilen Text und darüber ein Foto, das unverkennbar Frido Knapps Handschrift trägt: Ostbahn-Kurti & Die Chefpartie (in ihrer von Legenden umrankten Besetzung mit dem Havlicek-Peperl, Señor Adretti, Sexualberater Horak und Dipl.Ing. Jedelsky) an der chromblitzenden Theke eines Espressos beim Kleinen Braunen mit Weinbrand. Im Vordergrund schleppt eine Serviererin ein mit Bierkrügeln beladenes Tablett nach rechts aus dem Bild. Sie trägt eine Bienenkorbfrisur, aufgeklebte Wimpern, viel zu viel Make-up und ein Lächeln, wie es vielsagender nicht sein könnte. Die vier Augenpaare der Chefpartie haben sich quasi an ihrem prallen Hintern festgesaugt, oder an dem schmalen Streifen nackter weißer Haut, der zwischen Strumpfrand und Rocksaum aufblitzt. Ich selbst, als Chef der Partie, starre selbstredend nicht der Serviererin hinterher, sondern in meine Kaffeetasse. Nachdenklich, wissend, oder ganz einfach nur cool? Wir werden es nie erfahren, denn welche Sprache meine Augen sprechen, bleibt hinter der verspiegelten Sonnenbrille verborgen, und über das Wann, Wo und Warum dieser Fotosession fehlt mir heute jedwede Erinnerung.
    „1987. Ein Frühwerk“, weiß der Doc.
    „Waren harte Zeiten damals“, sage ich. „Und an den Fotografen kann ich mich beim besten Willen nimmer erinnern. An die Serviererin übrigens auch nicht.“
    Der Doc lächelt milde und nimmt das Blatt wieder an sich. „Du wirst ihn noch kennenlernen. Sehr bald, schätze ich.“ Jetzt ist die Milde aus Docs Lächeln verschwunden und hat einer klirrenden Kälte Platz gemacht.
    „Du meinst, ich werd ihn eventuell bald kennenlernen, weil er was mit der Villa in der Auhofstraße zu tun hat?“ frage ich vorsichtig an, und fühle mich in der weichen Polsterung des Ohrensessels gar nicht mehr wohl.
    „So ist es, Kurt. Frido Knapp hat in diesem Haus gewohnt. Auhofstraße 238. Er hatte im Keller sein Atelier. Und ich hatte ein Mal die Gelegenheit, mich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, worüber damals bereits heftig gemunkelt wurde, nämlich daß in Knapps Atelier nicht nur gearbeitet wird. Ich hab das ein Mal erlebt und danach gewußt, daß sein Spiel mit dem Feuer eines Tages tödlich enden wird. Ich hab es immer gewußt.“
    „Verstehe“, sage ich. „Aber die Villa steht leer. Da wohnt niemand. Wo is er hin, dein Frido?“
    „Das werden wir herausfinden“, sagt der Doc und geht zu seiner Telefonanlage. Er drückt eine Kurzwahltaste, wartet und legt wieder auf.
    „Fünf Minuten“, sagt er.
    „Was?“
    „Das Taxi. Kommt in fünf Minuten.“
    „Wo willst du hin?“
    „Du hast gesehen, was ich

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