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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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wieder an ihren Standplatz zurückkehrt, die wird zwar ihrem Zuhälter abgehen, aber der wird sich hüten, zur Polizei zu gehen und eine Vermißtenanzeige zu machen.
    Und der Totenvogel braucht viel Zeit. Wenn er seine Wahl getroffen hat, bringt er das Opfer an den Ort, wo er bereits in den Tagen davor alles sorgfältig vorbereitet hat, und wo er ungestört ans Werk gehen kann. Es ist ein Ritual, das mit jedem Mal komplizierter, ausgeklügelter und bizarrer wird. Seine erste Bestattung hat vielleicht ein paar Stunden gedauert, dann hat er sein Opfer in der Grabkammer zurückgelassen und ist abgehauen; jetzt zelebriert er seine Quälereien und sein Beisetzungsritual bereits über mehrere Tage. Er wird immer besser. Geht bei jedem neuen Mord einen Schritt weiter. Verfeinert und perfektioniert seine Arbeit. Und wird auch immer anspruchsvoller. Mit steigender Qualität wachsen die Anforderungen, die er an Opfer und Schauplatz stellt:
    Das Grab in der D’Orsey-Gasse liegt – laut dem Akt – in einem Keller, der direkt an die Backstube einer türkischen Bäckerei grenzt, im hofseitigen Trakt des Zinshauses unter einer aufgelassenen Lederfärberei. Ein relativ sicherer Ort, weil der Keller von den Mietern viele Jahre nicht benutzt werden durfte. Die Färberei hat dort Fässer mit hochgiftigen, ätzenden Chemikalien verrosten lassen, die erst im Zuge der Renovierungsarbeiten entsorgt wurden, bei denen zwei Arbeiter die Mumie entdeckt haben. Also zwar ein sicherer Ort, aber sicherlich nicht besonders einladend.
    Das Haus in der Mollardgasse stand vor dem Fund der zweiten Mumie, das war im August 96, schon seit fast zehn Jahren leer. Ein Abbruchhaus neben einer Großwäscherei. Unser Mann hat gewußt: Die Temperatur stimmt, und hier ist er ungestört. Außer vielleicht ein paar Unterstandslosen würde sich kein Mensch in die Bruchbude verirren. Auch da wieder: optimale Sicherheit, aber wenig Komfort.
    Und in der Auhofstraße waren die Bedingungen dann geradezu ideal. Eine gepflegte leerstehende Villa, umgeben von einem großen Garten, keine unmittelbaren Nachbarn, ein Kellergewölbe, das für seine Absichten wie geschaffen war, und die Gewißheit, daß ihn hier niemand überraschen würde.
    Aber ausgerechnet am Tatort Auhofstraße, mit dem er ganz auf Nummer Sicher gehen wollte, ist ihm sein erster Fehler unterlaufen.
    Wie viele seiner Kollegen kehrt auch unser Totenvogel immer wieder gern an die Stätten seines Wirkens zurück. Das ist für ihn wie für unsereins ein Friedhofsbesuch. Er hält Kontakt zu seinen Toten, zeigt ihnen so seine Verbundenheit über den Tod hinaus und genießt noch einmal in der Erinnerung seinen Triumph.
    Im Fall Auhofstraße gibt er sich uns aber genau dadurch als jemand zu erkennen, der nicht nur über die Örtlichkeiten, sondern auch über die Geschicke des Hauses äußerst gut Bescheid weiß. Unser Mann hat Zugang zu Informationen, an die man nur herankommen kann, wenn man den Bewohner kennt. Und das war bis vor zwei Monaten unser Freund Knapp. Nur wer den Knapp kennt, weiß, wann dieser für längere Zeit ins Ausland fährt und die Villa unbewohnt ist; er weiß auch, wann der Knapp das Haus aufgibt und wegzieht; und er macht sich auch schlau darüber, ob und wann die Villa den Besitzer wechselt. Denn mit dem Auftauchen von neuen Eigentümern verliert unser Totenvogel seine heilige Stätte.
    Er hat in den letzten Tagen mit Verbitterung das emsige Kommen und Gehen beobachtet, und als er feststellen mußte, daß in seinem Totenreich Vandalen und Grabschänder am Werk waren, hat er eilig seine Leiche weggeschafft, an einen sicheren Ort, wo er allein und ungestört trauern und in Gedanken bereits sein nächstes Werk in Angriff nehmen kann.
    Das wär’s. Mehr hab ich vorläufig zur Person unseres Totenvogels leider nicht anzubieten. Aber es ist zumindest ein Anfang, hoffe ich. Eine Diskussions- und Arbeitsgrundlage.
    Ich werde Ihnen nicht verraten, wieviel davon reine Spekulation ist, welche Erkenntnisse ich meiner bescheidenen Berufserfahrung zuschreiben würde und wieviel Prozent man sozusagen im Morgenurin hat. Weil ich will Sie ja nicht entmutigen.“

19
    Und damit läßt sich Brunner, von seinem Nachmittagsspaziergang erschöpft, in den ledernen Ohrensessel fallen, zündet sich eine Marlboro an und blickt erwartungsvoll in die Runde.
    „Hat was“, sagt der Doc mit belegter Stimme, räuspert sich und wiederholt dann nicht wesentlich lauter: „Hat was. Ohne Zweifel. Ich frage mich nur, wie

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