Kurt Ostbahn - Platzangst
ich dieses unentwirrbare Geflecht aus – wie Sie selbst richtig sagen – Facts, Spekulation und profunder Analyse einem Computer eingeben kann.“
„Mich dürfen Sie das ned fragen“, sagt Brunner. „Die Hauptsach ist, Sie finden in dem Kastl die Sachen wieder, wann wir sie brauchen.“
Mich hat Brunners Solo natürlich nicht weniger beeindruckt als den Doc. Ich meine, hätte er es auf der Gitarre oder dem Tenorsaxofon gespielt, und der Schauplatz wäre nicht das Arbeitszimmer des Doc, sondern ein verqualmter Club mit gut sortierter Bar, dann stünde ich jetzt auf meinem Barhocker und spendete ihm neidlos und begeistert Szenenapplaus.
So aber hocke ich ziemlich mitgenommen auf meinem Notsitz und stelle nach längerem Überlegen die Frage in den Raum:
„Seh ich das richtig, daß wir dringend den Knapp brauchen, weil der den Totenvogel persönlich und mit Namen kennt?“
„Den Knapp können wir vorerst vergessen. Ich war in der Zwischenzeit auch nicht ganz untätig“, sagt der Doc, während er sanft über den Bildschirm seines Großbildmonitors streicht, „und kann daher berichten, daß Frido Knapp Anfang Dezember eine Dachgarten-Wohnung samt Atelier in Hamburg-Eppendorf bezogen hat, sich derzeit jedoch auf Motivsuche und Fotosession in New Mexico befindet. An seiner Kontaktadresse, einem Hotel in Albuquerque, hat man mir mitgeteilt, daß der Knapp und seine Crew im Mesa-Verde-Nationalpark arbeiten und nicht vor Mittwoch nächster Woche zurückerwartet werden. Und falls es interessiert: Die Damen und Herren sind nicht etwa im gemeinen Land-Rover unterwegs, sondern in zwei gecharterten Hubschraubern.“
Keine Ahnung, was Brunner plötzlich auf die Idee bringt, vielleicht hat es auch was mit seinem Morgenurin zu tun, jedenfalls wendet er sich ganz ruhig und gemächlich an den Doc und meint:
„Wenn der Knapp blöderweise grad jetzt Amerika entdeckt, dann wird uns halt ihre gemeinsame Bekannte weiterhelfen, die Dings, die Tochter von dem Zuckerbäcker.“
„Die Iris?“ sagt der Doc. „Was soll die uns helfen?“
„Das müssen Sie wissen, Herr Dresch“, meint Brunner. „Hat sie ein Gspusi gehabt mit dem Knapp? Hat sie bei ihm in der Auhofstraße gewohnt? Ja oder nein? Wenn ja: Was kann sie uns erzählen über den Hausbrauch, über Freunde, Gäste, Mitarbeiter, die in der Villa ein- und ausgegangen sind?“
Der Doc kriegt zwar keine roten Flecken, ringt aber sichtlich mit der Fassung.
„Natürlich weiß sie Einiges“, bringt er grad noch hervor. „Aber die Iris ist im Waldviertel.“
„Dort gibt’s, soviel ich weiß, von meinem Herrn Sohn, der mit einer Waldviertlerin aus Horn verheiratet ist, aber auch schon die längste Zeit Telefon. Also könnten wir die Frau Iris ganz einfach anrufen und sie fragen“, sagt Brunner und steht auf. Die Zögerlichkeit des Doc, wenn das Gespräch auf Iris und ihre Beziehung zu Frido Knapp kommt, macht ihn nervös und ungeduldig. Dem Doc entgeht das nicht, und so ringt er sich endlich zu einer klaren Auskunft durch:
„Die Iris hat oben im Waldviertel kein Telefon. Wenn sie an einem neuen Buch arbeitet, zieht sie sich völlig zurück, da braucht sie absolute Ruhe. Aber ich habe heute ihre Mutter angerufen, übrigens eine ganz reizende Dame, und die hat mir Iris Postanschrift verraten. Herrmannsschlag 7. Das ist in der Nähe von Litschau, gleich an der tschechischen Grenze.
„Wenn das Wetter so weitermacht, dann brauchen wir da hinauf auch bald einen Hubschrauber, oder Schlittenhunde“, sagt Brunner und fängt wieder an, im Arbeitszimmer auf und abzugehen.
„Sie wollen doch nicht allen Ernstes . . .?“ schnaubt der Doc und winkt kategorisch ab. „Ohne mich! Ohne mich!“
„Es geht nicht drum, was ich will, Herr Dresch, und es geht auch nicht drum, was Sie wollen oder der Herr Doktor! Und was da passiert, ist auch kein Computerspiel, sondern das ist eine Hacken! Das war 27 Jahre mein Beruf, und das ist er auch heute noch, auch wenn ein paar Ex-Kollegen anderer Meinung sind! Und wenn ich in der Hacken bin, Herr Dresch, dann mach ich sie so gut ich kann, wurscht ob es draußen regnet, schneit oder Roßknödeln hagelt. Und wenn die Frau Iris zur Zeit unsere einzige verfügbare Informations quell e ist, dann geh ich auch zu Fuß zu ihr nach Hermagor!“ „Hermannschlag“, sage ich. „Kenn ich zufällig. Ich war im Sommer in der Gegend oft mit dem Radl unterwegs. Herrlich. Aber jetzt im Februar ist man da oben sozusagen am Arsch der Welt.“
Brunner hat
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