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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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Hunderten Igelmädchen und Mäusekindern in sämtlichen Stadien der Fertigstellung. Iris Igel, die aussieht wie Iris Fabian als Taferlklasslerin ausgesehen haben mag, und ihre Freundin tun auf Bleistiftskizzen, noch nicht kolorierten Reinzeichnungen und den bunten druckfertigen Bildern, was Kindern halt so Freude macht: Sie fahren freihändig Rad, machen am Waldesrand Jagd auf Schmetterlinge, stehlen Äpfel aus dem Garten des Nachbarn (eines griesgrämigen alten Fuchses, der wegen eines Bandscheibenschadens am Stock geht), und schießen im Schulhof mit Kastanien eine Fensterscheibe ihres Klassenzimmers ein.
    Zweifellos eine sympathischere Gesellschaft als ein Rudel ausgehungerter Wölfe, das uns womöglich draußen im Schneesturm erwartet hätte, wären wir den Forstweg wieder hinauf zur Straße geklettert. Aber nach den vereinbarten drei Stunden war kein Hupen zu hören gewesen und kein fernes Scheinwerferlicht zu sehen, also kein Taxi am besprochenen Treffpunkt, das uns zurück nach Litschau bringen würde.
    Iris sprach den Fuhrunternehmer von jeder Schuld frei, sie kenne den Mann als absolut zuverlässig und auf die Minute pünktlich. Wahrscheinlich hat er versucht, durch die Schneemassen zu uns vorzudringen, mußte aber schließlich aufgeben und umkehren. Morgen Vormittag, nachdem der Schneepflug die Straße wieder einigermaßen befahrbar gemacht hat, würde er garantiert nach seinen in der Wildnis festsitzenden Fahrgästen sehen. Sollte das aus irgendeinem Grund nicht der Fall sein, könnte Iris versuchen, uns mit ihrem geländegängigen Toyota, der drüben in der Scheune untergestellt ist, zum Bahnhof zu bringen. Eine vage Möglichkeit, die wir uns aber gleich wieder abschminken können, wenn es die ganze Nacht so weiterschneit. Dann bliebe uns nur noch eines: zwischen Igelmädchen und Mäusekindern zu warten, bis das Tauwetter kommt.
    „Okay. Angenommen, es gibt etwas, das uns die Iris verheimlicht. Warum fragen wir sie nicht einfach? Zum Beispiel morgen in der Früh beim Kaffee“, sage ich, weil mir Brunners Mißtrauen nicht aus dem Kopf und leicht auf die Nerven geht.
    „Die Fabian macht das ja nicht vorsätzlich oder weil sie uns pflanzen will, Herr Doktor. Sie kann nicht anders. Und wenn wir ihr jetzt Druck machen, geht garnix. Sie braucht Zeit zum Nachdenken und wird ein paar Nächte ganz schlecht schlafen. Und dann wird sie reden wollen. Entweder mit uns, oder mit jemand, der uns brennend interessiert.“
    „Zum Beispiel?“
    „Ich bin kein Hellseher, Herr Doktor. Aber weil wir jetzt wissen, was wir wissen, wissen wir auch, wo wir einstweilen nicht weitersuchen brauchen.“
    „Großartig“, sage ich. „Wir suchen also, damit uns nicht fad wird, inzwischen wo anders weiter, und warten drauf, daß uns die Iris einen schönen Tages anruft und erzählt, wer Schuld ist an ihren Schlafstörungen. Und das wird unser Totenvogel sein.“
    Brunner ist mit seinen Gedanken aber längst bei einem ganz anderen Problem.
    „Die Uschi hat sich ab Montag Urlaub genommen. Wir wollten am Schafberg oben frisch tapezieren. Eine Schnapsidee bei dem Wetter. Aber bitte. Wenn sich die Frau was in den Kopf gesetzt hat, streikt bei ihr jede Logik.“ Er schüttelt den Kopf, als wollte er damit einen lästigen Gedanken vertreiben. „Soll ich Ihnen was sagen, Herr Doktor?“
    „Unbedingt“, sage ich.
    „Sind S’ froh, daß Sie noch nicht die Richtige gefunden haben“, meint er dann nach einer langen Pause. „Weil wenn Sie glauben, es ist die Richtige, dann gehen die Zores erst wirklich los.“
    In Liebesangelegenheiten war ich noch nie ein ergiebiger Gesprächspartner. Ich hab zu viele Jahre die Dinge passieren lassen, ohne viel drüber nachzudenken. Und heute passiert kaum noch was, über das ich nachdenken könnte.
    Während Brunner zuerst halblaut und dann nur noch murmelnd über die Hantigkeit seiner Stationsschwester räsoniert, die ihn einen krummen Hund heißen wird, wenn sie dahinterkommt, daß er keine zwei Monate nach seiner Pensionierung heimlich auf die Pirsch geht, huschen in meinem Kopf Iris Fabian und Gitti Kaltenbeck durch grell ausgeleuchtete Kellergewölbe mit archaischen, rätselhaften Schriftzeichen an den Wänden.
    Dann kommt endlich der Schlaf und knipst das Licht aus.

25
    Axel und Ronnie sind fleißig. Das hört man bis ins Erdgeschoß.
    Es ist Samstag, 16 Uhr 30, und draußen schwemmt ein Nieselregen die letzten dreckigen Schneereste weg. Die Reindorfgasse, wie ich sie ganz besonders wenig

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