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Kurt Ostbahn - Schneeblind

Kurt Ostbahn - Schneeblind

Titel: Kurt Ostbahn - Schneeblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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krank, aber er ist kein Depp. Und auch kein unorganisierter Amokläufer oder Mordgeselle. Und daher find ich euren legeren Umgang mit dem Überfall eigentlich ziemlich deplaziert und unangebracht!«
    »Tja, typisch Weiber«, nickt Nora und streicht sich ihre Emma-Peel-Welle mit einer kampflustigen Geste aus dem Gesicht. »Entweder grundlos hysterisch oder geistig nicht in der Lage, die Gefährlichkeit der Situation richtig einzuschätzen.«
    »Das hab ich nicht gesagt«, sage ich. Und mich beschleicht der Verdacht, daß in dieser grundsätzlich hinreißenden Person auch eine ziemliche Nervensäge schlummert.
    »Okay. Vergiß es. Aber ich bleib dabei: Das war nicht der Kreuzschinder, der hier eingebrochen und Gerda niedergeschlagen hat. Er hätte sie nicht so gefesselt.«
    »Das muß man nämlich können. Das ist eine Kunst«, meldet sich Gerda zurück und nickt ernsten Blickes mit dem angeschlagenen Kopf. »Und die lernt man nicht aus irgendeinem Lehrbuch.«
    »Sondern?«
    »In Seminaren«, sagt Nora.

22
    NASSRÄUME.
    Nora und Gerda haben kurzfristig umdisponiert.
    Auf dem Drehplan stand heute die Initiation von Novizin Gerda durch Äbtissin Nora in der strengen Kammer eines Nonnenklosters aus dem zirka 17. Jahrhundert. Gerda am Andreaskreuz. Gerda am Rad.
    Daß die Folterkammer im ersten Stock eines Einfamilienhauses in der Raxstraße steht, interessiert die Kundschaft ebensowenig wie kleine Ungereimtheiten in der Ausstattung: Die beiden geistlichen Frauen hätten zwar bei Kerzenschein, aber an einem Flaschenzug mit Elektromotor agiert und unter der Nonnentracht Nylonstrümpfe, Strapse und BH getragen.
    »Gerade darauf wird bei uns Nonnen besonders großer Wert gelegt«, erzählt Nora, als sie mich durch die düsteren Räumlichkeiten fuhrt, »daß wir drunter scharfe Dessous anhaben. Irgendwie logisch, oder?«
    »Eh«, sag ich, obwohl das eher der Trainer sagen würde. Aber mehr fällt mir dazu halt momentan nicht ein.
    Weil man Zofe Gerda aber nicht am selben Tag ans Rad binden kann, an dem sie bewußtlos geschlagen wurde, obwohl sie eh schon wieder lustig drauf ist und für jede Schandtat bereit, finden die Dreharbeiten nun nicht in der klösterlichen Folterkammer, sondern im Naßraum des Gummisalons statt, der gleich eine Tür weiter liegt und trotzdem Lichtjahre entfernt.
    Weiße Fliesen. Schwarze Kostüme aus glänzendem Latex. Schwarze Masken mit Insektenrüssel. Chromblitzende, futuristisch anmutende Geräte und Duschaufsätze für die schwarzen Gummischläuche.
    Abgeduscht, durchgespült oder vollgespritzt werden die Badegäste auf einer Liegestatt in der Mitte des Raumes, die bei Bedarf mit ein paar Handgriffen zu einem gynäkologischen Stuhl mit Hand- und Fußfesseln umfunktioniert werden kann.
    »Überaus anregend«, meint Nora.
    »Wofür?«
    »Für die Phantasie.« Sie zeigt auf einen Medizinschrank, der mit allerlei Gefäßen, Desinfektionsmitteln, Pumpen, Kathetern, Chirurgenhandschuhen, Klistierspritzen und Windelhosen vollgeräumt ist. »Und im gegebenen Fall auch für die Darmaktivität.«
    Nähere Details erfahre ich nicht, weil Gerda mit dem Schnurlostelefon die schwarzweiße Gummihölle betritt.
    »Dringend. Der Trainer«, sagt sie und reicht mir den Hörer.
    »Was gibt’s, Trainer?« frage ich.
    »Scheiße«, sagt er.
    »Du kommst wie aufs Stichwort.«
    »Der Kohout war da. Jetzt grad. An meiner Wohnungstür. Hat ein Kuvert unter der Tür durchgeschoben. Das mußt du dir anschauen, Kurtl! Sofort!«
    »Schon unterwegs«, sage ich, nicht nur, weil es mir in Noras Klinikum irgendwie nicht so gut gefällt wie einen Stock tiefer im Wohnbüro. Der Trainer hört sich gar nicht gut an. Die gute Nachricht, daß Gerda zwar überfallen wurde, aber nur ihre Kleidung Schaden genommen hat, kann seine üble Laune auch nicht heben.
    »Wieso klingst du so komisch, Kurtl?« fragt er. »Wo bist’n?«
    »Schwer zu sagen«, sage ich. »Ein Mehrzweckraum, Trainer, für Sachen, die wahrscheinlich alle einen Namen haben, den ich aber noch nicht kenne. Die Nora ist grad so freundlich, mir die Stätten ihres Wirkens näherzubringen.«
    »Hört sich an wie ein Hallenbad«, meint er. »Gruß von mir. Und jetzt komm her!«
    »Sorgt sich der Trainer etwa gar um deine Arbeitsmoral, Kurt?« erkundigt sich Nora und hängt sich bei mir ein. Gerda nimmt mir das Schnurlostelefon ab. Dann geleiten mich die Damen durch eine raffinierte Schiebetür aus dem schwarzweißen Naßraum in die Hölle, wie wir alle sie kennen: Schwarz und

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