Kurt Ostbahn - Schneeblind
heimische Firmengruppe an eine deutsche Firmengruppe abgestoßen hat, die ihrerseits Teil einer internationalen Firmengruppe ist, und sich mit seiner jungen dritten Ehefrau auf eine Farm in Neuseeland zurückgezogen hat, wo er seine Memoiren schreiben will.
»Man beachte: Auch hier hat dein vormaliger Haussklave den von mir so gern und oft angesprochenen Doppelnutzen«, sage ich zu Nora. »Er erpreßt deine Kunden, um sein Drogenkonto zu sanieren, und ruiniert damit natürlich auch deinen Ruf in der Branche. Is doch eine schöne Rache für die angetane Schmach. Die gedemütigte Domina. Und wenn es je zu polizeilichen Ermittlungen kommen sollte, ist er aus dem Schneider. Alles weist in deine Richtung, in dein Haus, deine Firma, deine Kundenkartei. Und auf einen Verrückten namens Kohout, der Zögling deines Erziehungsinstituts im Internetz gewesen ist und dir über deinen Ghostwriter ausrichten läßt, daß er dich liebend gern schnetzeln würde. Dein Paul ist wirklich ein Wiffzack.«
»Aber nicht wiff genug«, sagt Nora und steht auf. »Erstens hat er sich so sehr in die Welt des Kreuzschinder reingesteigert, daß er dabei die Wirklichkeit und den Werner Kohout aus den Augen verloren hat. Und sein größter Fehler war: Man läßt sich nicht einfach vom Frühstückstisch weg entführen und in einem schwarzen Mercedes verschleppen. Das ist unprofessionell, find ich.«
Dann krieg ich einen Kuß. Auf den Mund.
»Wofür?«
»Ich mag starke Männer, die wissen, wo‘s lang geht«, sagt Nora und schaut dabei schmachtend hinter ihrer Emma-Peel-Welle hervor. »Und darauf sagst du, cool, eventuell eine kalte Zigarette im Mundwinkel: Ich weiß, Baby. Das hab ich gewußt, als ich dich das erste Mal sah. Unten im Hafen, in der Haifischbar, wo du so sensationell getanzt hast ...«
»Schreibt dir der Trainer solche Sachen?«
»Jeden Tag.«
»Gratuliere. Ihr solltet euch zusammentun, heiraten und auf der Hochzeitsreise gemeinsam die Hardcore-Version von »Titanic« schreiben.«
Nora macht ganz große Augen. »Woher weißt du das?« sagt sie. »Was?«
»Unser großes Geheimnis.«
33
SONNTAGSBRATEN.
Es ist der Tag des Herrn, und ich bin eben dabei, mich mit meinem neuen CD-Wechsler auszusöhnen, indem ich ihm Cole Porter, Carlos Santana und John Zorn bei freier Nummernwahl andiene, als der himmelblaue 57er-Chevy hupt.
Der Doc ist dran. Er klingt so gut, wie schon lange nicht. Gesund, munter, aufgeräumt.
»Was den schwarzen Mercedes betrifft, in dem Paul Körner entführt wurde«, kommt er ohne Umschweife zur Sache. »Ich habe die Ergebnisse vorliegen. Sagt dir der Name Gorovnatse etwas?«
»Nie gehört«, sage ich.
»Der Mercedes ist angemeldet auf eine EastWest-Handelsgesellschaft in der Billrothstraße. Und Inhaber dieser Firma ist ein gewisser Boris Gorovnatse, georgischer Staatsbürger.«
»Boris, der Sammler«, sage ich nach zirka zwei Sekunden Nachdenkpause.
»Du kennst den Kapo des georgischen Syndikats, Kurt?«
»Nicht persönlich«, versichere ich dem Doc, der sich gleich wieder besorgt anhört. »Aber ich weiß aus verläßlicher Quelle, daß der Boris Schuhgröße 48 hat und ein leidenschaftlicher Sammler von Damenfußbekleidung ist.«
»Darf ich raten, wer dir diese intimen Details verraten hat?«
»Nur zu«, sage ich, und Doktor Trash kommt zu einer Einschätzung der Lage, der ich nicht viel hinzufügen kann.
»Demnach hat Nora ihren großen georgischen Spielgefährten um einen kleinen Gefallen gebeten, und Paul Körner genießt zur Zeit eine strengere Behandlung, als ihm lieb ist. Sie hat Plan A anlaufen lassen, um nach unserer Vorarbeit ihr eigenes Süppchen zu kochen. Ich hab dich vor dieser Frau gewarnt, Kurt, und das nicht bloß einmal!«
»Sag das nicht mir, Doc, sag des dem Trainer«, sage ich.
Kaum hat der Doc aufgelegt, um diese vorläufig letzte Wendung im Fall Kreuzschinder-Körner seinen Denkmaschinen anzuvertrauen, hupt der Chevy auf ein neues.
Ich hebe ab.
»Ostbahn. Was gibt’s?«
Niemand dran. Dann ertönt die beliebte Faxmelodie, und mit leisem Rattern kommt eine Botschaft aus dem Gerät, um deren Erledigung sich gefälligst der Trainer kümmern soll.
LOS JUNKYARD ANGELES & MC D. O.A. proudly present:
SUNDAY BLOODY SUNDAY
Armageddon John wetzt schon die Hauer
Die Groovnicks fahrn mit voller Power
Britney brutzelt schon am Griller
Der Whitney-Burger wird ein Killer
Um zehn beginnt die Bonusrunde
Das Ende naht zur Geisterstunde
SUNDAY BLOODY SUNDAY Heute: Sonntag, 20.
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