Kurt Ostbahn - Schneeblind
und nix darf so sein, wie es scheint. Kaum hab ich mich an den Kreuzschinder gewöhnt, wird der Trainer zum Ghostwriter. Kaum jage ich einem potentiellen Serienkiller hinterher, macht sich eine superschlaue Koksnase wichtig. Kaum ist eine Frau wie Nora zum Greifen nah ...
Zum Beispiel vorhin, in trauter Runde, beim zweiten Flascherl Rioja, hier im Wohnbüro. Thema: Beruf und Berufung. Warum wer was macht, obwohl er es auch billiger haben könnte, aber mit deutlich kleinerem Spaß-und Selbstverwirklichungsfaktor. Gerda zum Beispiel. Könnte in der grünen Steiermark Volkschulkinder unterrichten, weil sie das gelernt hat. Läßt sich aber viel lieber von Nora unterrichten. Beruf und Berufung. Oder Nora. Könnte eine städtische Bibliothek leiten und dort den Wissensdurst des jungen Menschen befriedigen, findet jedoch Befriedigung darin, Gleichgesinnten die Träume ihrer schlaflosen Nächte zu verkaufen. Beruf und Berufung. Was man im Grunde ja auch vom Trainer und mir sagen kann. Selbstdarsteller. Traumverkäufer. Beruf und Berufung.
Zum Detektiv, zum Beispiel, fühle ich mich nicht berufen. Das ist sozusagen ein Nebenprodukt meiner ewigen Neugier. Weil ich hinter jede verschlossene Tür schauen muß und in jeden Topf mit Deckel. Und weil ich auf jede Antwort noch eine Frage weiß, und wo man mit seiner Fragerei endet, das sieht man ja.
Im Haus der 1000 Spiele, als Bodyguard für Mistress und Zofe.
Jetzt lacht der Trainer Tränen, oben im ersten Stock. Wahrscheinlich weil ihm und Nora ein neuer Cliffhanger eingefallen ist, mit dem sie Gerda eine Freude machen können.
Vielleicht sollten die zwei heiraten, wenn wir den Fall Körner abgeschlossen haben. Dann müßte ich nicht ständig über Nora nachdenken. Und der Trainer hätte endlich einen Hafen gefunden.
Ich werde das bei Gelegenheit anregen.
30
SKLAVE & TRAINER.
»Briochekipferln, Zimtschnecken, Faschingskrapfen, Topfengolatschen. Nehmen Sie sich ruhig, auf was Sie einen Gusto haben. Es ist genug da«, sage ich zum Herrn Josef und drücke ihm die Plastiksackerin vom »Mann, der alles kann« in die Hand. Der Trainer und ich haben am Weg ins Rallye noch rasch was fürs Frühstück besorgt. Man will einem erfolgsverwöhnten jungen Mann schließlich was bieten. Nicht, daß es danach heißt, der Ostbahn und seine Haberer haben beim großen Showdown nicht einmal ein anständiges Frühstücksbuffet springen lassen.
»Und beim Kaffee, Herr Josef«, sagt der Trainer, der am Stammtisch neben der Jukebox letzte Vorbereitungen trifft, »nehmen’S bitte ausnahmsweise den besseren. Und ist ein koffeinfreier im Haus? Vielleicht is der Körner jetzt mehr auf Wellness, who knows.«
»Leider«, sagt der Herr Josef. Er hat nur einen Kaffee im Angebot, und der ist nimmer ganz röstfrisch.
Ich beziehe meinen Posten in der ehemaligen Kochnische. Dort hab ich den bescheidenen Gerätepark aufgebaut, den uns der Doc mitgegeben hat. Die Geräte stammen aus seinem privaten James-Bond-Museum. Für diesen heiklen Einsatz hat er ein Abhörgerät ausgewählt, das bereits zu Sean Connerys Zeiten von Q als altertümlich belächelt worden wäre, und mit dem der Trainer auf der Jagd nach dem Mörder von Rikki Horvath bereits einmal kläglich gescheitert ist, was in dem Fallbericht »Kurt Ostbahn: Peep-Show« nachgelesen werden kann.
Der Doc aber sagt, die Ausrüstung mag vielleicht mager sein, was zählt, ist jedoch der persönliche Einsatz. Er wäre selbst gern persönlich mit dabei, aber ein Gespräch mit Paul Körner würde ihn im Moment noch überfordern.
Der Trainer hat am Stammtisch Posten bezogen, auf dem Stuhl mit Blick auf die Eingangstür.
»Mayday ... Mayday«, sagt er in die staubigen Plastikblumen, die vor ihm auf dem Tisch in einem Senfglas blühen. Hier ist das Mikrofon verborgen.
»Alles roger«, sage ich und gebe ein entsprechendes Handzeichen, das der Herr Josef hinter der Budel in ein zufriedenes Kopfnicken umwandelt und an den Trainer weitergibt. Ein Talkback, Headset-Monitoring oder sonst was wie eine Gegensprechanlage ist im Budget nicht vorgesehen.
»Es kann gar nix passieren«, sage ich zum Herrn Josef. »Im schlimmsten Fall kommt der junge Mann gar nicht oder er ist Diabetiker. Dann müssen wir die ganzen Süßigkeiten halt selber fressen.«
Der Herr Josef nickt unsicher. Er ist nimmer der Jüngste, hat er mir einmal mehr gestanden, und kann sich eine Aufregung, womöglich mit Kieberei und Blutvergießen, gesundheitlich nicht leisten.
Pünktlich um zehn
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