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Kurz bevor dem Morgen graut

Kurz bevor dem Morgen graut

Titel: Kurz bevor dem Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kimmelmann
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haben.“
    „Wollen Sie nicht rechts ranfahren?“
    Es war mir etwas unheimlich, mit einem Geist, der schon zu Lebzeiten böse gewesen war, rechts ranzufahren, aber ich tat es.
    „Also?“ Ich sah ihn auffordernd an.
    „Ich habe gesehen, wie mir ein Messer in die Brust fuhr“, erklärte er. „Aber ich konnte niemanden sehen, der das Messer hielt.“
    „Also hat es jemand geworfen?“
    „Unsinn!“, schnaubte er. „Ich habe gespürt, wie es reingedrückt wurde.“
    „Also ein Unsichtbarer?“, fragte ich ungläubig.
    „Na ja, ein Geist vermutlich“, sagte er und zuckte mit den Schultern.
    „Ein Geist?“ Nun war es an mir, lauthals loszulachen. „Ein Geist hat Sie ermordet? Das ist doch zu weit hergeholt.“
    „Wieso?“
    „Kommen Sie, wollen Sie mir jetzt ernsthaft Gespenstergeschichten erzählen?“
    Er sah mich fassungslos an. „Hallo? Kurth? Sehen Sie, dass gerade ein Geist bei Ihnen im Auto sitzt?“
    „Malkowski“, sagte ich geduldig, „Sie können nicht einmal ein Bier trinken, ohne meinen Sessel vollzusauen. Wie wollen Sie mir ein Messer in die Brust stecken?“
    Er sah mich ratlos an. Das hatte er nicht bedacht.
    „Greifen Sie sich mal meine Parkscheibe“, ermunterte ich ihn.
    Er griff danach – ins Leere.
    „Ich kann sie nicht fassen“, sagte er enttäuscht.
    „Eben. Wenn Geister keine Dinge fassen können, können sie auch niemanden mit einem Steakmesser ermorden.“
    Er sinnierte einen Moment lang, dann fuhr er mich barsch an:
    „Das ändert doch nichts, Kurth. Jedenfalls war es nicht meine Tochter.“
    „Aber auch kein Gärtner, hm? So bequem ist es diesmal nicht.“
    „Was wollen Sie damit sagen?“
    „Dass ich nicht wirklich glaube, dass Ihre Frau vom Gärtner umgebracht wurde.“
    Er sah mich wie versteinert an.
    „Was hat denn das hiermit zu tun?“, brüllte er dann.
    „Dass ich niemandem helfe, solange ich nicht die Wahrheit kenne“, sagte ich bestimmt. „Also: Wer hat Ihre Frau ermordet, Malkowski?“
    „Der Gärtner, das wissen Sie doch!“
    Ich hatte genug davon, angelogen zu werden. Ich schloss wieder die Augen und klatschte dreimal in die Hände. Es funktionierte genauso gut wie beim ersten Mal.

    Er kam zur nächsten Mitternacht zurück, diesmal wieder in meiner Wohnung. Er stand mitten im Wohnzimmer, leichenblass. Ich fragte mich noch, wie ein Geist leichenblass werden kann, verwarf den Gedanken aber wieder.
    „Was ist passiert?“, fragte ich und versuchte Besorgnis zu heucheln.
    „Sie verfluchter Hundesohn“, keuchte er.
    „So bringen Sie mich sicher nicht dazu, Ihrer Tochter zu helfen“, meinte ich und nahm mir ein Bier aus dem Kühlschrank.
    „Sie können Inga nicht mehr helfen!“, schrie er, wobei sich sein Geistergesicht rot verfärbte. „Sie ist tot!“
    Ich fuhr herum. „Tot?“, fragte ich. „Wieso tot?“
    „Weil sie sich heute in ihrer Zelle erhängt hat“, sagte er matt und ließ sich in meinen Sessel fallen.
    In meinem Kopf ratterte es. Das war ein unvorhergesehenes Ereignis und passte so gar nicht in meine Pläne.
    Ich versuchte es mit Improvisation.
    „Sie haben Ihre Frau damals umgebracht, oder?“
    Er sah mich verwirrt an. Dann krächzte er:
    „Scheiße, was soll’s. Ja, ich habe sie umgebracht. Ich wollte endlich frei sein von ihr.“
    „Und Inga hat davon gewusst?“
    „Natürlich. Sie wollte sie auch loswerden. Stand ihren Träumen im Wege, mochte ihre Freunde nicht. Sie wissen ja, wie das ist.“
    „Und darum hat sie den Verdacht auf den Gärtner gelenkt und seine Haare entsprechend platziert.“
    „Richtig.“
    Ich war erleichtert, es doch noch aus ihm herausgebracht zu haben.
    „Warum wollten Sie mir das gestern noch nicht erzählen?“, fragte ich.
    „Weil gestern noch alles anders war!“, knurrte er. „Jetzt ist Inga tot! Ich bin auch tot. Was spielt es jetzt noch für eine Rolle?“
    „Eine große Rolle“, hörten wir eine weibliche Stimme.
    Wäre Malkowski nicht schon tot gewesen, so hätte er in diesem Moment sicher einen Herzstillstand erlitten. Ich werde nie sein herrliches Gesicht vergessen, als Elisabeth Malkowski den Raum betrat.
    „Du bist tot!“, rief er verzweifelt.
    „Na und?“, meinte sie. „Du auch.“
    Als er sich hilfesuchend an mich wandte, bemerkte er, dass ich zufrieden lächelte.
    „Sie haben es geschafft, Herr Kurth“, sagte Elisabeth und lächelte ebenfalls.
    „Was ... was geschafft?“, fragte Malkowski fassungslos.
    „Dass Sie gestanden haben“, erklärte ich. „Eine

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