Kurz vor Mitternacht
der zwischen halb elf und Viertel nach elf von niemandem gesehen worden ist, und der in dieser Zeit hin- und zurückgeschwommen sein könnte. Jemand, der auf diesem Ufer vielleicht einen Freund hat. – Nun, Mr Latimer?»
Ted trat einen Schritt vor und schrie mit schriller Stimme: «Aber ich kann ja gar nicht schwimmen! Jeder weiß, dass ich nicht schwimmen kann. Kay, sag du ihnen, dass ich nicht schwimmen kann!»
«Es stimmt, Ted kann nicht schwimmen!», bestätigte Kay.
«Aha», bemerkte Battle vergnügt. Er bewegte sich auf Ted zu, der immer weiter zurückwich. Plötzlich entstand so etwas wie ein Gewühl, und dann ertönte ein Klatschen.
«Meine Güte», rief Inspektor Battle bestürzt, «Mr Latimer ist über Bord gegangen!»
Seine Hand schloss sich um Neviles Arm, als Nevile Anstalten machte, hinterherzuspringen.
«Nein, nein, Mr Strange. Nicht nötig, dass Sie sich nass machen. Dort stehen zwei kräftige Männer bereit – sehen Sie die beiden, die da im Ruderboot angeln?»
Er spähte ins Wasser.
«Es stimmt», sagte er dann. «Er kann nicht schwimmen. In Ordnung. Sie haben ihn. Ich werde mich sofort entschuldigen, aber es gibt wirklich nur eine Möglichkeit, sich davon zu überzeugen, dass jemand nicht schwimmen kann – ihn ins Wasser zu werfen und sein Verhalten beobachten. Sie müssen wissen, Mr Strange, ich gehe gern gründlich vor. Ich musste erst Mr Latimer ausschalten. Mr Royde kommt wegen seines verkrüppelten Arms nicht infrage – er kann an keinem Seil hinaufklettern.»
Battles Stimme nahm einen schmeichlerischen Ton an.
«Das führt uns also zu Ihnen, Mr Strange, nicht wahr? Ein guter Sportsmann sind Sie. Sie setzen um halb elf mit der Fähre über, aber niemand hat Sie vor Viertel nach elf im Hotel Easterhead gesehen, obwohl Sie behauptet haben, Sie hätten dort Mr Latimer gesucht.»
Nevile machte mit einem Ruck seinen Arm frei. Er warf den Kopf zurück und lachte.
«Ich soll wohl über den Fluss geschwommen und an einem Seil hinaufgeklettert sein…»
«Das Sie vorher zu Ihrem Fenster hinausgehängt hatten», ergänzte Battle.
«Dann tötete ich Lady Tressilian und schwamm zurück? Was für ein fantastischer Gedanke! Warum hätte ich das tun sollen? Und wer trug all das Beweismaterial gegen mich zusammen? Ich selbst, was?»
«Ganz recht.»
«Und aus welchen Gründen sollte ich meine Tante umgebracht haben?»
«Um die Frau an den Galgen zu bringen, die Sie um eines anderen Mannes willen verlassen hat. Sie sind moralisch nicht ganz einwandfrei, junger Mann, und zwar seit Ihrer Kindheit – ich habe mich nämlich ein wenig mit dem Fall beschäftigt, von dem Mr Treves erzählt hat. Wer Sie kränkt, der muss bestraft werden – und der Tod scheint Ihnen die einzig geziemende Strafe zu sein. Aber ein einfacher Tod genügt für Audrey nicht, für Ihre Audrey, die Sie lieben… o ja, Sie liebten sie heiß, bevor Ihre Liebe sich in Hass verwandelte. Einen ganz besonders grausamen Tod dachten Sie sich für sie aus, und die Tatsache, dass dabei eine Frau daran glauben musste, die wie eine Mutter zu Ihnen war, störte Sie nicht im geringsten…»
Nevile unterbrach den Inspektor, und seine Stimme klang ganz sanft: «Alles Lüge! Alles Lüge! Ich bin doch nicht verrückt.»
Voller Verachtung fuhr Battle fort: «Ihre Eitelkeit war verletzt, und vor der Welt taten Sie so, als hätten Sie Ihre Frau um einer andren willen verlassen, und dann heirateten Sie das Mädchen, das in Sie verliebt war, um auf diese Weise prahlen zu können. Aber im geheimen schmiedeten Sie einen Plan, wie Sie Audrey zu Grunde richten könnten. Nichts Schlimmeres fiel Ihnen ein, als sie an den Galgen zu bringen – ein guter Einfall, ein Glück, dass Sie ihn nicht besser ausgeführt haben! Kindisch, wirklich kindisch!»
Neviles breite Schultern zuckten. Ein sonderbarer Schrei entrang sich seinem Mund.
«Es war auch ein guter Einfall! Nie, nie wären Sie mir auf die Spur gekommen, wenn sich dieser Dummkopf nicht eingemischt hätte! Jede Einzelheit hatte ich mir sorgfältig überlegt. Aber wie hätte ich auch wissen sollen, dass Royde die Wahrheit über Audrey und Adrian kannte? Audrey und Adrian… Fluch über Audrey! Sie soll hängen! Sie müssen sie an den Galgen bringen! Ich will, dass sie einen schlimmen Tod erleidet… Ich hasse sie! Ich sage Ihnen, ich will, dass sie stirbt…»
Die hohe, wimmernde Stimme erstarb. Nevile sackte zusammen und begann leise zu weinen.
«O Gott», stöhnte Mary, kalkweiß im
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