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Kurz vor Mitternacht

Kurz vor Mitternacht

Titel: Kurz vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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in der Dunkelheit auszieht, und niemand würde an einem nassen Septemberabend zu seinem Vergnügen baden. Wirklich, ein sehr gescheiter Mann, dieser MacWhirter.»
    «Mehr als gescheit», sagte Audrey.
    «Hm, möglich. Möchten Sie etwas über ihn erfahren? Ich kann Ihnen einiges von ihm erzählen.»
    Battle berichtete, was er wusste, und stellte fest, dass Audrey eine außergewöhnlich aufmerksame Zuhörerin war.
    Schließlich sagte Audrey: «Ich schulde ihm Dank – und auch Ihnen.»
    «Ach, mir schulden Sie nicht viel», entgegnete der Inspektor. «Wenn ich nicht so vernagelt gewesen wäre, hätte ich die Sache mit der Glocke gleich durchschaut.»
    «Die Sache mit der Glocke? Mit was für einer Glocke?»
    «Ich meine die Glocke in Barretts Zimmer. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass damit etwas nicht stimmte. Beinahe hatte ich den Zusammenhang auch erfasst, als ich die Treppe vom obersten Stock hinunterging und eine der Stangen sah, mit denen man die Fenster im Treppenhaus öffnet. Sehen Sie, auf der Glocke beruhte Neviles ganzes Alibi. Lady Tressilian konnte sich nicht erinnern, warum sie nach Barrett geläutet hatte – natürlich nicht, weil sie überhaupt nicht nach ihr geklingelt hatte! Nevile setzte die Glocke vom Treppenhaus aus in Betrieb, indem er mit der Stange an die Drähte rührte, die an der Decke entlangführten. Daraufhin kam Barrett. Sie sah Nevile Strange das Haus verlassen und fand Lady Tressilian wohl und munter vor. Die ganze Sache mit dem Mädchen erschien mir von Anfang an faul. Wozu sie betäuben, wenn der Mord vor Mitternacht ausgeführt werden sollte? Daraus musste geschlossen werden, dass der Mörder unter den Hausbewohnern zu suchen ist, und auf diese Weise konnte Nevile eine Zeit lang die Rolle des Verdächtigen spielen. Doch dann macht Barrett ihre Aussage, und Nevile steht so prächtig reingewaschen da, dass niemand auf den Gedanken kommt, sich mit der Frage zu beschäftigen, wann er eigentlich im Hotel eingetroffen ist. Wir wissen, dass er nicht mit der Fähre zurückfuhr; und da kein Boot vorhanden ist, blieb nur die Möglichkeit des Schwimmens. Die Zeit war knapp, aber seine Schwimmkünste sind überdurchschnittlich. Eiligst das Seil hinauf, das aus seinem Fenster hing, wobei er den Fußboden nass machte (wir bemerkten die Pfütze, aber da sie ohne Zusammenhang schien, beachteten wir sie nicht weiter); dann in den blauen Anzug hinein, zu Lady Tressilians Zimmer hinüber… ich will die Einzelheiten nicht beschreiben, doch all das nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Die Stahlkugel hatte er natürlich schon vorher bereitgelegt. Hierauf schlich er sich in sein Zimmer zurück, zog den Anzug aus, kletterte am Seil hinunter und schwamm nach Easterhead zurück.»
    «Aber wenn Kay in sein Zimmer gekommen wäre?»
    «Ich wette, dass er ihr ein leichtes Schlafmittel gegeben hat. Sie gähnte immerzu seit dem Abendessen, wie man mir berichtet hat. Außerdem hat er einen Streit mit ihr vom Zaune gebrochen, um sicher zu sein, dass sie mit ihm schmollte und sich von ihm fernhielt.»
    «Ich habe gar nicht gemerkt, dass die Kugel an meinem Kamingitter fehlte. Da sieht man mal, wie schlecht wir Frauen beobachten! Wann hat er sie eigentlich wieder an ihren Platz gebracht?»
    «Am nächsten Morgen, als das Durcheinander losging. Nach seiner nächtlichen Rückkehr blieb ihm genügend Zeit, um alle Spuren zu verwischen und die Ausführungen seines Plans fortzusetzen. Er flickte das Racket… ja, übrigens, ich vergaß: Er hat die alte Dame mit einem Rückhandschlag umgebracht. Deshalb sah es so aus, als sei das Verbrechen von einem Linkshänder verübt worden. Nevile Stranges Backhand war berühmt, wie Sie wissen!»
    «Oh, hören Sie auf!» Audrey hob flehend die Hände. «Ich kann es nicht mehr ertragen.»
    Battle lächelte sie an.
    «Trotzdem hat es Ihnen gutgetan, sich einmal auszusprechen. Jetzt müssen Sie sich aber ganz energisch klarmachen, dass der Albtraum ein Ende gefunden hat und dass Sie keine Angst mehr zu haben brauchen.»
    Audrey lächelte zurück. Der erstarrte Ausdruck war von ihrem Gesicht gewichen; es zeigte Ruhe und Vertrauen, und in den großen Augen lag Dankbarkeit.
    Ein wenig zögernd fragte sie: «Sagten Sie nicht den andern, dass Sie ein Mädchen kennen, das sich genauso benommen hat wie ich?»
    Battle nickte langsam.
    «Meine eigene Tochter», erwiderte er. «Sehen Sie, meine Liebe, dieses Wunder musste geschehen. Solche Dinge begegnen uns, damit wir daraus

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