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Kurz vor Mitternacht

Kurz vor Mitternacht

Titel: Kurz vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Gesicht.
    Leise, in liebenswürdigem Ton sagte Battle: «Es tut mir leid, dass ich bis zum Äußersten gehen musste, ich hatte kein stichhaltiges Beweismaterial, verstehen Sie.»
    Nevile wimmerte noch immer. Seine Stimme war wie die eines Kindes.
    «Ich will, dass sie gehängt wird. Ich will, dass sie gehängt wird…»
    Mary schauderte und wandte sich Thomas zu, der ihre Hände in die seinen nahm.

39
    «Ich hatte immer Angst», sagte Audrey.
    Sie saß auf der Terrasse. Inspektor Battle, der seinen Urlaub verlängert hatte und im «Möwennest» zu Gast war, hatte neben Audrey Platz genommen.
    «Immerzu hatte ich Angst, die ganze Zeit», sagte Audrey.
    Battle nickte.
    «Das erkannte ich im ersten Augenblick, als ich Sie sah. Und Sie hatten die farblose Haltung der Menschen angenommen, die eine sehr starke Gemütsbewegung zu dämpfen versuchen. Es konnte Liebe oder Hass sein, aber tatsächlich war es Furcht, nicht wahr?»
    «Ja, ich begann mich schon kurz nach der Hochzeit vor Nevile zu fürchten. Aber das Schreckliche war, dass ich nicht wusste, wovor ich mich eigentlich fürchtete. Ich fing schon an, mich für verrückt zu halten.»
    «Sie waren es nicht.»
    «Als ich Nevile heiratete, wirkte er ganz besonders gesund und normal – war stets guter Laune und ausgeglichen.»
    «Interessant», sagte Battle. «Er spielte die Rolle des guten Sportsmannes, verstehen Sie. Deshalb konnte er auch beim Tennis solche Selbstbeherrschung üben. Seine Rolle als guter Sportsmann war ihm wichtiger als zu gewinnen. Aber natürlich versetzte es ihn in dauernde Spannung, diese Rolle durchzuhalten. Innerlich zermürbte es ihn.»
    «Innerlich», wiederholte Audrey schaudernd. «Äußerlich war nichts zu fassen. Nur manchmal ein Wort oder ein Blick… und dann dachte ich, ich hätte mir das nur eingebildet. Und so bekam ich immer mehr Angst. Ich sagte mir, ich sei verrückt, aber das half nichts. Ich fühlte, dass ich etwas unternehmen musste, um von ihm fortzukommen. Und dann erschien Adrian und gestand mir seine Liebe, und ich malte mir aus, wie schön es wäre, mit ihm fortzugehen, und er sagte…»
    Sie brach ab.
    Nach einer Pause sprach sie weiter: «Sie wissen, was geschah? Ich ging fort, um mich mit Adrian zu treffen… aber er kam nicht… er fand den Tod… Ich hatte das Gefühl, als hätte Nevile das Unglück herbeigeführt.»
    «Vielleicht war das auch der Fall», warf Battle ein.
    Mit erschrockener Stimme wandte Audrey sich ihm zu.
    «Oh, glauben Sie das wirklich?»
    «Wir werden es wohl nie erfahren. Autounfälle lassen sich manipulieren. Sie sollten aber nicht darüber nachgrübeln, Mrs Strange. Ebenso gut kann es Zufall gewesen sein.»
    «Ich… ich war ganz gebrochen. Ich kehrte ins Pfarrhaus zurück – in Adrians Elternhaus. Wir hatten seiner Mutter schreiben wollen, doch da sie noch nichts von uns beiden wusste, hielt ich es für besser, sie nicht darüber aufzuklären, damit sie nicht noch mehr Kummer erlitt. Nevile kam sofort. Er war sehr nett und freundlich, und die ganze Zeit, während ich mit ihm sprach, war ich fast krank vor Angst! Er sagte, niemand brauche über Adrian Bescheid zu wissen, er wolle die Schuld auf sich nehmen und nach der Scheidung sich wiederverheiraten. Ich empfand große Dankbarkeit. Ich wusste, dass Kay ihm gefiel, und ich hoffte, dass sich alles zum Besten kehren und dass ich meine sonderbare Besessenheit überwinden würde. Noch immer dachte ich, dass ich die Wahnsinnige sei. Aber ganz vermochte ich dem Gefühl nie zu entrinnen. Und dann traf ich eines Tages Nevile im Park, und er setzte mir auseinander, dass er sich freuen würde, wenn ich mich mit Kay anfreunden und mit ihnen beiden im September hierherkommen würde. Ich konnte kaum nein sagen, nachdem er sich mir gegenüber so liebenswürdig gezeigt hatte.»
    «‹Darf ich Sie in meinen Salon bitten?›, sagte die Spinne zur Fliege», zitierte der Inspektor.
    Audrey schüttelte sich.
    «Ja, genauso war’s…»
    «In diesem Punkt verhielt er sich sehr geschickt», sagte Battle. «Er erhob so laut Anspruch darauf, der Urheber des Einfalls zu sein, dass jedermann daran zweifelte.»
    «Und dann kam ich her… und es war wie ein Albtraum. Ich spürte, dass sich etwas Entsetzliches vorbereitete, ich spürte, dass Nevile etwas im Schilde führte und dass es gegen mich gerichtet war. Aber ich ahnte nicht, was es sein könnte. Ich glaubte, den Verstand zu verlieren. Ich war wie gelähmt vor Angst… wie es einem im Traum ergeht, wenn man

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