Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch
einschenkst. Früher oder später muss er es sowieso erfahren.«
Valentina nimmt keine Notiz von ihm. Den Blick fest auf Vater gerichtet, streicht sie sich mit beiden Händen über Brüste und
Bauch. Papa zittert. Seine Knie beginnen zu schlottern. Dubov legt eine große fleischige Hand auf seine knochige.
»Nikolai Alexejewitsch, seien Sie kein Narr.«
»Ich bin kein Narr, Sie sind einer. Oder hat man je gehört, dass eine Schwangerschaft achtzehn Monate gedauert hat? Achtzehn
Monate! Dass ich nicht lache!«
»Es hat nichts zu bedeuten, wer das Kind gezeugt hat«, sagt Dubov ruhig. »Wichtig ist einzig und allein, wer sein Vater sein
wird, wenn es einmal da ist.«
»Was hat er gesagt?«, fragt Ed. Ich übersetze es ihm.
»Und ob es was zu bedeuten hat! Ich habe meine Rechte. Ein Vater hat nämlich auch seine Rechte. Sag es ihnen, Val.«
»Du nicht Baby-Vater«, sagt Valentina.
»Du nicht Baby-Vater!«, echot Papa zustimmend und fügt mit einem irren Glitzern in den Augen hinzu: »Ich bin Baby-Vater.«
»Da gibt es nur eines – man muss einen Vaterschaftstest machen«, ertönt eine kalte Stimme von der Tür her. Vera ist so leise
hereingekommen, dass niemand es bemerkt hat. Jetzt tritt sie in den Kreis und nähert sich Valentina. »Wenn es überhaupt ein
Baby gibt.«
Und sie stürzt sich auf Valentina, um deren Bauch zu befühlen.
Valentina fährt mit einem Aufschrei in die Höhe. »Nein! |293| Nein! Du Cholera-Hexe wollen mein Baby fressen! Du mich nicht anfassen!«
»Wer ist das denn, verdammt noch mal?« Der kahle Ed wirft sich dazwischen und hält Vera fest. Dubov steht auf, um Valentina
in seine Arme zu ziehen, doch sie stößt ihn zurück und marschiert zur Tür. Auf der Schwelle bleibt sie kurz stehen, greift
in ihre Handtasche und befördert einen kleinen Schlüssel mit Anhänger ans Tageslicht. Den wirft sie auf den Boden, spuckt
darauf und verschwindet.
|294| 26.
Umerziehung
»Und wer ist nun wirklich der Vater, was glaubst du? Eric Pike oder der kahle Ed?«
Ich liege im oberen Bett, Vera liegt im unteren Bett in dem Zimmer, in dem Stanislav gewohnt hat. Früher haben hier Anna,
Alice und Alexandra geschlafen, wenn sie ihre Großeltern besuchten. Noch früher war es Veras und mein Kinderzimmer. Einerseits
scheint es ganz seltsam, dass wir wieder hier sind, andererseits ist es aber auch das Natürlichste auf der Welt. Nur dass
früher Vera oben schlief und ich unten.
Durch die dünne Gipskartonwand können wir von nebenan das Gemurmel männlicher Stimmen hören. Stanislav und Dubov sind dabei,
zwei Jahre Trennung aufzuholen. Ein sanftes, freundschaftliches Gemurmel ist es, ab und zu unterbrochen von lautem Lachen.
Vom Zimmer unter uns dringt Vaters stetiges Schnarchen empor. Mike hat sich im vorderen Zimmer auf dem unbequemen Zweisitzersofa
zusammengerollt. Zum Glück hat er reichlich Pflaumenwein abbekommen, bevor er schlafen ging.
»Es gibt noch jemand anderen«, sagt Vera. »Oder hast du vergessen, dass sie anfangs bei einem anderen Mann gelebt hat?«
»Bob Turner?«
An Bob Turner hatte ich gar nicht mehr gedacht, doch als |295| Vera es nun sagt, habe ich wieder den dicken braunen Umschlag vor Augen, den Kopf, der sich aus dem Fenster beugte, und wie
Vater in sich zusammenfiel. »Das war vor über zwei Jahren. Er kann es nicht sein.«
»Wirklich nicht?«, fragt Vera hart.
»Du meinst, sie hat ihn auch nach der Hochzeit noch getroffen?«
»Würde dich das wundern?«
»Im Prinzip nicht.«
»Eigentlich hätte man ja von ihr erwartet, dass sie sich etwas Besseres angelt. Keiner von denen ist sonderlich anziehend«,
überlegt Vera. »Während sie selbst auf ihre nuttige Art ganz attraktiv ist. Andererseits – mit einer Frau wie ihr zu schlafen,
ist die eine Sache, aber sie zu heiraten, ist eine andere.«
»Aber Dubov hat sie geheiratet. Der scheint ein ganz anständiger Typ zu sein, und er liebt sie immer noch. Und ich glaube,
dass sie ihn auch liebt. Weil sie nämlich sofort hergekommen ist, als sie gehört hat, dass er da ist.«
»Trotzdem hat sie ihm für Papa den Laufpass gegeben.«
»Das war die Verlockung eines Lebens im Westen.«
»Und jetzt glaubt sie, sie kann sich mit diesem Baby-Quatsch wieder bei Papa einschleichen. Er ist doch völlig besessen von
der Idee, noch einen Sohn zu bekommen.«
»Aber stell dir doch bloß vor, du würdest die Liebe deines Lebens für Papa aufgeben und dann herausfinden, dass er noch nicht
mal reich
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