Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch
durchaus von unten anschauen. Und dabei ist er zu dem Schluss gekommen,
dass eigentlich gar nicht so fürchterlich viel kaputt ist. Dass er Öl verliert, liegt einfach daran, dass an der Ölwanne die
Schraube nicht richtig abgedichtet ist. Dafür, dass die ganze Karosserie so schief hängt, ist wahrscheinlich nur eine gebrochene
Radaufhängung verantwortlich. Und der Grund, warum der Motor nicht anspringt, ist möglicherweise ein Defekt in der Elektrik,
der von der Batterie kommen kann oder vom Aggregat. Dubov wird sich das ansehen. Falls Valentina und die Autoschlüssel nicht
ausfindig zu machen sein sollten, muss natürlich auch das Zündschloss ausgewechselt werden.
Im Laufe der nächsten Woche nehmen Vater und Dubov gemeinsam den Motor auseinander, säubern die Einzelteile und breiten sie
auf einer alten Decke auf dem Boden aus. Mike wird zur Mithilfe herangezogen. Er verbringt zwei Abende im Internet und am
Telefon, um herauszufinden, |285| ob es Schrotthändler gibt, die vielleicht ein ähnliches Rolls-Royce-Modell auf ihrem Gelände haben. Und tatsächlich findet
er schließlich einen in der Nähe von Leeds, zwei Autostunden entfernt.
»Wirklich, Mike, du musst dir diese Fahrerei nicht antun. Den Wagen kann man wahrscheinlich sowieso nicht mehr retten.«
Er antwortet nicht, sondern sieht mich nur an mit diesem verträumten und gleichzeitig sturen Ausdruck im Gesicht, den ich
auch bei Vater mitunter schon beobachtet habe. Auch Mike hat sich ganz unübersehbar vergafft.
Eric Pike hilft mit, die Radaufhängung zu reparieren. Am Sonntag kommt er in seinem blauen Volvo und bringt ein Schweißgerät
und eine Maske mit. Ein schneidiger Held mit Schnauzbart und ledernen Arbeitshandschuhen, der mit großen Zangen das rot glühende
Metallteil festhält und mit dem Hammer darauf herumschlägt. Die anderen stehen in sicherem Abstand im Halbkreis um ihn herum
und wagen vor Bewunderung kaum zu atmen. Als er fertig ist, schwenkt er die noch glühende Halterung zum Auskühlen durch die
Luft, wobei er den noch nicht wieder abgedrehten Schweißbrenner versehentlich so an den Werkzeugkasten lehnt, dass die Feuerdornhecke
nicht ganz ohne Verluste davonkommt. Zum Glück fängt es an zu regnen, und alle vier drängen in die Küche hinein und stecken
die Köpfe über den technischen Handbuchseiten zusammen, die Mike aus dem Internet heruntergeladen hat. Für meinen Geschmack
ist das alles ein wenig zu maskulin.
»Ich fahre nach Peterborough«, sage ich, »und kaufe etwas fürs Abendessen ein. Irgendwelche besonderen Wünsche?«
»Bring Bier mit«, sagt Mike.
|286| Einkaufen ist natürlich nur ein Vorwand. Eigentlich möchte ich nach Valentina suchen. Ich bin mir sicher, dass Ed nicht gelogen
hat, als er sagte, sie sei fort. Aber wo kann sie hingegangen sein? Eine Weile fahre ich ziellos durch die Gegend und schaue
zwischen den hin- und hertanzenden Scheibenwischern hindurch auf die sonntäglich leeren Straßen, auf denen noch der Müll der
vergangenen Nacht liegt. Ich lege mir eine Route zurecht: erst zu Eric Pikes Haus, von dort zum Ukrainischen Club, dann zum
Hotel Imperial und zum Schluss in die Norwell Street. Unterwegs mache ich Halt beim Supermarkt und fülle einen Einkaufswagen
mit allem Möglichen, was Vater und Dubov mögen könnten – jede Menge süße und fettige Kuchen, Fleischpasteten, die in der Backröhre
warm gemacht werden können, tiefgefrorenes, bereits zubereitetes Gemüse, Brot, Käse, Obst, Salate, die schon geputzt und geschnitten
sind und nur aus der Plastikpackung genommen werden müssen, Dosensuppen, sogar tiefgefrorene Pizza – bis zu Kochbeutelgerichten
versteige ich mich nicht – und dazu noch einige Sechserpack Bier. Ich lade alles in den Kofferraum und drehe noch einmal eine
Runde. Als ich zum zweiten Mal beim Hotel Imperial vorbeifahre, bleibt mein Blick auf einem halb auf dem Bürgersteig parkenden
grünen Wagen hängen. Ein Lada – tatsächlich ein Lada, der aussieht wie Valentinas Lada.
Es kann nicht wahr sein.
Er ist es.
Valentina und der kahle Ed sitzen an einem runden Tisch in einer Ecke des Nebenzimmers. Durch die Türverglasung kann ich sie
recht genau sehen. Valentina ist noch dicker geworden. Ihr Haar ist ungekämmt, das Augen-Make-up verschmiert. Nein, es ist
mehr als verschmiert, es läuft ihr richtiggehend die Wangen hinunter. Valentina weint. Und als Ed nun den Kopf hebt, sehe
ich, dass auch er
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