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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Gespräche über Nietzsche
     und Schopenhauer würde er vermutlich anstandslos übernehmen.
    »Papa, dann sag ihr doch, dass das Telefon abgestellt wird, wenn sie die Rechnung nicht bezahlt.«
    »Mhm. Ja.« Er sagt zwar ja, aber es klingt wie nein.
    Er schafft es nicht. Er kann sich nicht gegen sie durchsetzen. Oder vielleicht will er es auch gar nicht. Vielleicht will
     er sich nur einfach beklagen und bemitleidet werden.
    »Du musst härter sein zu ihr.« Ich fühle seinen Widerstand sogar durch die Telefonleitung, aber ich lasse nicht locker. »Anders
     versteht sie es nicht. Sie denkt ja offenbar, dass im Westen jeder ein Millionär ist.«
    »Ah.«
     
    |111| Einige Tage darauf ruft er wieder an. Der Rover ist wieder liegen geblieben. Dieses Mal ist es das hydraulische Bremssystem.
     Ja, und den Test beim Technischen Überwachungsdienst hat er auch nicht geschafft. Jetzt muss Vater sich noch etwas mehr Geld
     leihen. »Aber nur bis zum nächsten Ersten.«
    »Siehst du?«, blaffe ich Mike an. »Völlig verrückt! Wieso kann ich nicht aus einer Familie kommen, wo alle normal sind?«
    »Stell dir doch nur vor, wie langweilig das wäre.«
    »Ich glaube, etwas mehr Langeweile könnte ich ganz gut gebrauchen. Ich muss es nicht unbedingt so schlimm haben wie jetzt.«
    »Versuch einfach, dich nicht zu sehr aufzuregen. Weil du nämlich Gift drauf nehmen kannst, dass es noch schlimmer wird.« Er
     holt eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und teilt sie auf zwei Gläser auf. »Lass ihm einfach das bisschen Spaß, das er noch
     hat. Misch dich nicht zu sehr ein.«
     
    Später aber bedauerte ich es zutiefst, mich nicht mehr und vor allem nicht früher eingemischt zu haben.
     
    Mir wird klar, dass sich übers Telefon die Dinge nicht im Griff behalten lassen. Ich muss also wieder einmal selbst vorbeischauen.
     Dieses Mal kündige ich Vater unseren Besuch nicht an.
    Valentina ist unterwegs, als wir ankommen, aber Stanislav ist zu Hause. Sitzt oben in seinem Zimmer und macht Hausaufgaben.
     Braver Junge. Wie konzentriert er da über seinen Büchern hockt. Er ist wirklich fleißig.
    »Stanislav«, sage ich, »was ist los mit diesem Wagen? Scheint so, als gäbe es eine Menge Ärger damit.«
    »Nein, nein.« Er lächelt sein nettes Zahnlückenlächeln. »Kein Ärger mehr. Er geht jetzt. Ist alles repariert.«
    |112| »Stanislav, könntest du nicht vielleicht deine Mutter davon überzeugen, dass es besser wäre, einen kleineren Wagen zu fahren?
     Einen, der etwas zuverlässiger ist als dieses glänzende Monstrum, das ein Vermögen verschlingt? Weißt du, mein Vater hat nicht
     so sehr viel Geld.«
    »Ach, jetzt ist er doch in Ordnung. Und er ist so schön.«
    »Aber mit einem Wagen, auf den man sich wirklich verlassen kann, wärt ihr doch viel besser dran – oder? Mit einem Ford Fiesta
     zum Beispiel?«
    »Ford Fiesta ist kein gutes Auto. Weißt du, als wir hierher kamen, haben wir auf der Autobahn einen ganz schlimmen Unfall
     gesehen mit einem Ford Fiesta und einem Jaguar. Der Fiesta war von dem Jaguar richtig zerquetscht worden. Da sieht man doch,
     dass ein größeres Auto viel besser ist.«
    Ob er das ernst meint?
    »Aber mein Vater kann sich einen so großen Wagen nicht leisten, Stanislav.«
    »Ach, ich glaube schon.« Nettes Lächeln. »Er hat genug Geld. Anna hat er doch auch Geld gegeben, oder?« Seine Brille rutscht
     ihm die Nase hinunter. Er rückt sie wieder zurecht, hebt den Kopf und mustert mich kühl.
    Vielleicht ist er ja doch kein ganz so braver Junge.
    »Ja, aber   …« Was kann ich dazu sagen? »Das ist seine Sache.«
    »Eben.«
    Auf der Treppe werden schnelle Schritte laut, und fast im selben Moment stürmt Valentina auch schon ins Zimmer und schimpft
     auf Stanislav ein: »Halt sofort den Mund, hörst du! Ich will nicht, dass du dich mit dieser neugierigen, tittenlosen Unheilskrähe
     unterhältst!« Entweder hat sie vergessen, dass ich Ukrainisch spreche, oder es ist ihr egal.
    »Kein Problem, Valentina«, sage ich, »ich wollte ohnehin eigentlich mit dir reden. Gehen wir nach unten?«
    |113| Sie folgt mir in die Küche. Stanislav kommt auch mit, doch sie schickt ihn nach nebenan, wo Papa dabei ist, Mike lang und
     breit auseinander zu setzen, wie es um die Sicherheit der verschiedenen Bremssysteme bestellt ist. Welche speziellen Probleme
     sich bei den Rover-Bremsen aufgetan haben, erklärt er allerdings nicht, obwohl Mike immer wieder versucht, das Gespräch in
     diese Richtung zu lenken.
    »Warum du

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