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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Gefrierschrank weiß, Schränke weiß – kannst du mir
     sagen, warum da ein brauner Herd hinsoll?«
    »Du viel geizig. Mir Scheißherd geben wollen.«
    »Meine Frau hat dreißig Jahre lang auf ihrem Herd gekocht. Besser als du.«
    »Dein Frau war Baba von Land. Bauernoma kocht Bauernessen. Für gebildeter Mensch Herd muss sein Gasherd, muss sein braun.«
     Sie spricht langsam und so deutlich, als wiederhole sie Grundkurs-Lektion eins für Einfaltspinsel.
    Vater unterschreibt den Ratenkaufvertrag für einen Herd für gebildete Köche. Nie zuvor in seinem Leben hat er etwas auf Pump
     gekauft, und nun schickt ihm dieser ungewohnte Leichtsinn prickelnde Schauer über den Rücken. Solange Mutter lebte, wurde
     Erspartes in eine Keksdose gesteckt, die unter einer lockeren Diele unter dem Linoleumboden aufbewahrt wurde, und nur wenn
     genug Geld darin war, wurde etwas gekauft. Immer bar. Immer bei Coop. Die Coop-Marken wurden in ein Büchlein geklebt, das
     auch unter die Bodenplanke kam. In späteren Jahren, nachdem Mutter entdeckt hatte, dass es Zinsen brachte, wenn man Geld bei
     einer Bausparkasse anlegte, wurden auch die Beiträge für die Bausparkasse erst einmal unter der Planke angespart.
     
    |103| Nächstes Problem: Das Haus ist schmutzig. Scheißstaubsauger. Der alte Hoover saugt nicht mehr richtig. Valentina hat eine
     Anzeige für Staubsauger gesehen, Staubsauger für gebildete Leute von heute. Blau. Zylinderförmig. Müssen nicht herumgezerrt
     werden. Schau, braucht man nur saugen, einfach nur saugen – da und da und da. Vater unterzeichnet den nächsten Ratenkaufvertrag.
     
    Als Vater mir dies beim nächsten Besuch erzählt, schildert er die Dinge natürlich aus seiner Sicht. Möglicherweise gibt es
     auch eine Version, die Valentina nicht ganz so schlecht aussehen lässt. Falls ja, will ich sie nicht hören. Ich habe meinen
     Vater vor Augen, wie er vor ihr stand, schwach, den Rücken gebeugt, ohnmächtig zitternd, und merke, wie mich diese Vorstellung
     rechtschaffen wütend macht.
    »Hör mal, Papa, du musst dich gegen sie durchsetzen. Sag ihr doch, dass sie nicht alles, was sie will, haben kann.«
    »Mhmm«, sagt er, »
tak
. Genau.« Es klingt nicht sehr überzeugt. Er beklagt sich zwar gern vor mitfühlenden Zuhörern, aber er ist nicht bereit, Konsequenzen
     zu ziehen.
    »Ihre Erwartungen sind wirklich unrealistisch, Papa.«
    »Das kann man ihr nicht vorwerfen. Sie glaubt an die Propaganda des Westens.«
    »Dann muss sie lernen, dass nicht alles stimmt, was sie hört.« Meine Stimme ist eisig.
    »Trotzdem, sag Vera lieber nichts davon.«
    »Keine Angst.« (Ich kann’s kaum erwarten!)
    »Weißt du, Nadeshda, Valentina ist kein schlechter Mensch. Sie hat ein paar falsche Vorstellungen, aber das ist nicht ihre
     Schuld.«
    »Wir werden sehen.«
    »Nadeshda   …«
    »Was?«
    »Du sagst Vera nichts davon.«
    |104| »Warum eigentlich nicht?«
    »Sie wird nur lachen. Sie wird sagen, dass sie es ja gleich gesagt hat.«
    »Kann ich mir nicht vorstellen.« (Klar wird sie.)
    »Du kennst Vera, du weißt, was für ein Mensch sie ist.«
    Ja. Ich merke, dass ich, auch wenn ich es nicht will, in dieses Drama hineingezogen werde und dass es mich in meine Kindheit
     zurückbringt. Es hat mich bereits erfasst. Wie ein Staubsauger für gebildete Leute. Der mich hineinzieht in die Staubbeutel
     der Vergangenheit mit ihren grauflockigen Erinnerungen, dorthin, wo alles formlos, unbestimmt und dunkel unter dickem Staub
     verborgen liegt – überall nur Staub, der mich erstickt und lebendig begräbt, der meine Lungen füllt und meine Augen blind
     macht, so dass ich weder sehen noch atmen kann und kaum noch imstande bin zu rufen: »Papa! Warum bist du immer so böse auf
     Vera? Was hat sie denn nur getan?«
    »Ach, diese Vera. Vera war immer eine Tyrannin, sogar schon als kleines Mädchen. Hat sich immer an Ludmilla geklammert mit
     Fäusten wie aus Eisen. Und geschrien wie am Spieß. Geschrien.«
    »Papa – sie war doch noch ein Kind. Sie konnte nichts dafür.«
    »Hmm.«
    Innerlich schluchze ich vor mich hin: »Du solltest uns lieb haben. Du solltest uns lieben, egal was wir tun. Normale Eltern
     lieben ihre Kinder.« Aber aussprechen kann ich es nicht. Und überhaupt kann er doch selbst nichts dafür – er kann einfach
     nicht anders. Aufgewachsen bei Baba Nadia. Bei Baba Nadia mit ihren dünnen Suppen und ihren strengen Strafen.
    »Keiner von uns kann etwas dafür, dass er geworden ist, wie er ist«, sage

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