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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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hastig nach diesem von Vera ausgeworfenen Rettungsanker und tritt einen
     Schritt zurück. Seine Frau nimmt jetzt seinen Platz auf der Schwelle ein.
    »Sie ist wohl nicht unbedingt eine Lady«, sagt sie. »Stellen Sie sich vor, sie legt sich im Garten in die Sonne ohne   … ohne   …« Nach einem Blicküber die Schulter zu ihrem Mann flüstert sie: »Er hat sie oben vom Fenster aus beobachtet.« Dann fährt
     sie vertraulich fort: »Um ehrlich zu sein, ich glaube, dass sie eine Affäre mit einem anderen Mann hat.« Sie spitzt verschwörerisch
     die Lippen. »Manchmal wird sie von jemandem mit dem Auto abgeholt. Er parkt dort unter der großen Esche, wo Mr.   Majevski ihn vom Fenster aus nicht sehen kann, und hupt und wartet auf sie. Und dann |212| kommt sie herausgerannt, aufgedonnert wie sonst was, Pelzmantel und   … na, Sie wissen schon. Außen hui, innen pfui, hat meine Mutter immer gesagt.«
    »Danke, dass Sie mir das erzählt haben«, sagt Vera. »Sie waren mir wirklich eine große Hilfe.«
     
    Valentina muss Veras Wagen erkannt haben, denn sie erwartet sie bereits unter der Tür, die Arme in die Hüften gestemmt, und
     verstellt ihr kampfbereit den Weg. Sie mustert Vera von oben bis unten. Ihre Augen bleiben sekundenlang an Veras Hausschuhen
     hängen, und ihre Lippen verziehen sich zu einem spöttischen Lächeln. Auch Vera schaut nach unten. (»Da habe ich es überhaupt
     erst bemerkt.«) Valentina trägt Stilettoabsätze, die ihre muskulösen nackten Waden anschwellen lassen wie den Bizeps eines
     Boxers.
    »Wozu gehst du nebenan Nase hineinstecken?«, fragt sie.
    Vera überhört sie geflissentlich und drängt sich an ihr vorbei in die Küche, die so voller Dampf ist, dass die Fenster völlig
     beschlagen sind. Im Spülbecken stapelt sich Geschirr, und es riecht ekelhaft. Papa drückt sich an der Tür herum. Er trägt
     eine blaue Synthetiklatzhose mit über seinem krummen Rücken gekreuzten Trägern.
    »Papa, ich habe gerade mit den Leuten von nebenan geredet. Sie haben kein Interesse mehr daran, Mutters Garten zu kaufen.«
    »Warum hast du das getan? Warum kannst du mich nicht in Ruhe lassen, Vera?«
    »Ganz einfach. Weil ich nicht will, dass dir dieser Geier die Leber aus dem Leib pickt.«
    »Adler. Adler.«
    »Wie bitte? Adler? Wovon redest du denn?« (»Wirklich, Nadia, ich dachte, jetzt dreht er völlig durch.«)
    »War ein Adler, der Prometheus’ Leber gefressen hat, weil er das Feuer gebracht hatte.«
    |213| »Papa, du bist kein Prometheus, du bist ein armer verwirrter alter Mann, der sich in seiner Dummheit dieser Wölfin selbst
     zum Fraß vorwirft.«
    Auf Valentinas Gesicht haben sich, während sie den beiden zuhört, Gewitterwolken gebildet, jetzt stößt sie einen Schrei aus
     und versetzt Vera einen heftigen Schubs vor die Brust. Vera taumelt zurück, fällt jedoch nicht.
    »Valja, keine Gewalt, bitte«, bettelt Vater und versucht dazwischenzugehen, ohne genau zu wissen, zu wem er halten soll.
    »Du altes Mistkerl, du gehen in dein Zimmer und halten dein Maul.« Valentina rempelt auch ihn an, und er stolpert und fällt
     gegen den Türrahmen, den Mike eingebaut hat. Gebückt und keuchend bleibt er dort stehen. Valentina zieht einen Schlüssel aus
     der Tasche und lässt ihn vor Vaters Nase hin und her baumeln.
    »Ich habe Zimmerschlüssel – haha – ich habe Zimmerschlüssel!«
    Vater will ihn ihr entreißen, doch sie hält ihn so hoch, dass er nicht an ihn herankommt.
    »Warum du brauchen Schlüssel?«, spottet sie. »Du gehen in Zimmer. Ich aufsperre und zusperre.«
    »Valja, bitte gib mir den Schlüssel!« Mit einem jammervollen kleinen Hüpfer versucht er es noch einmal, dann sinkt er mit
     einem Schluchzen in sich zusammen.
    Als nun auch Vera – »Wie kannst du es wagen!« – nach dem Schlüssel greifen will, stößt Valentina sie beiseite.
    Da schreit Vera: »Ich habe ein Mikrofon dabei! Damit kann ich beweisen, wie kriminell du dich verhältst!«
    Und tatsächlich zieht sie ein kleines Diktiergerät aus der Handtasche (man muss sie wirklich bewundern!), stellt es an und
     hält es über Valentina in die Höhe.
    »So, und jetzt, Valentina, gibst du bitte meinem Vater den Schlüssel zu seinem Zimmer zurück und versuchst dich |214| einigermaßen ruhig und zivilisiert zu benehmen«, sagt sie mit klarer Diktier-Stimme.
    Sie ist etwas größer als Valentina, aber wegen der hohen Absätze ist Valentina im Vorteil, als sie nach dem Diktiergerät angelt.
     Sie kriegt es nur deshalb

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