Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch
nicht so schlimm. Du hast ja keine Ahnung |255| , wie viele Menschen schon durch bloße Missverständnisse ums Leben gekommen sind.«
»Aber nicht in Peterborough.«
Ich rufe bei der Verkehrsbehörde an und erkläre die Lage, das heißt, ich erzähle der Stimme am anderen Ende der Leitung, dass
mein Vater diesen Wagen nie gefahren hat und physisch auch gar nicht mehr in der Lage ist, Auto zu fahren. Ich hatte mich
darauf gefasst gemacht, mich mit einem distanzierten Bürokraten herumschlagen zu müssen, doch die Stimme – eine ältere, weibliche
Stimme mit leichtem Yorkshire-Akzent – klingt freundlich und teilnahmsvoll. Und ohne ersichtlichen Grund breche ich von einem
Moment auf den anderen in Tränen aus und beginne die ganze Geschichte vor ihr auszubreiten, von der Brustvergrößerung über
die gelben Gummihandschuhe bis hin zu dem Schweineschnitzel-gegen-Führerschein-Deal.
»Ach du liebe Zeit! Nein, so was!«, gurrt die freundliche Stimme. »Der arme Kerl! Sagen Sie ihm, er braucht sich keine Sorgen
zu machen. Ich schicke ihm jetzt einfach nur ein ganz kurzes Formular zum Ausfüllen. Da muss er bloß ihren Namen und ihre
Anschrift eintragen.«
»Aber das ist es ja. Er kennt ihre Anschrift doch gar nicht. Wir können nur über einen Rechtsanwalt mit ihr in Kontakt treten.«
»Dann tragen Sie die Adresse des Anwalts ein. Das reicht auch.«
Ich fülle das Formular aus, und Vater unterschreibt es.
Wenige Tage später ruft er mich wieder an. Das Schrottauto ist über Nacht wieder aufgetaucht und steht jetzt in der Einfahrt.
Mit zwei Rädern auf dem Rasen, direkt neben dem vor sich hin rostenden Rolls-Royce. Es hat hinten einen Platten, auf der Fahrerseite
einen zerbrochenen Scheinwerfer, und außerdem ist die Fahrertür eingedrückt und mit |256| einer Schnur an der Karosserie festgezurrt, so dass der Fahrer auf der Beifahrerseite einsteigen und über den Schalthebel
klettern muss. Steuermarke gibt es natürlich keine. Dafür ist jetzt der Lada aus der Garage verschwunden.
»Irgendetwas ist da faul«, sagt Vater.
Jetzt hat er zwei Autos in seinem Vorgarten stehen, die noch dazu auf eine Art und Weise abgestellt wurden, dass er nur zu
seiner Haustür kommen kann, wenn er sich an der stacheligen Feuerdornhecke vorbeidrückt. Dabei bleibt er mit dem Mantel an
den Dornen hängen, und manchmal zerkratzt er sich auch Gesicht und Hände.
»Das ist doch lächerlich«, sage ich zu ihm. »Sie kann ihre Autos da nicht einfach stehen lassen. Sie muss sie wieder abholen.«
Ich telefoniere mit Ms. Carter, und diese schreibt an Valentinas Anwalt. Es passiert aber trotzdem nichts. Also setze ich
mich mit einem Gebrauchtwagenhändler in Verbindung und biete ihm beide Autos zu einem günstigen Preis zum Kauf an. Er zeigt
sich sehr an dem Rolls-Royce interessiert, macht jedoch sofort einen Rückzieher, als ich ihm sage, dass wir keine Autopapiere
haben. Dass wir auch keine Schlüssel haben, erwähne ich gar nicht erst.
»Könnten Sie sie denn nicht wenigstens abschleppen und ausschlachten oder verschrotten?«
»Sogar wenn Sie ein Auto nur verschrotten wollen, brauchen Sie die Papiere.«
Valentinas Anwalt beantwortet unsere Briefe nicht mehr. Wie sollen wir Valentina dazu bringen, das Auto abzuholen, wenn wir
nicht einmal wissen, wo sie wohnt? Vera schlägt vor, Justin einzuschalten, den Mann mit dem Dreitagebart, der Valentina die
Scheidungsunterlagen überreicht hat. Ich habe noch nie mit einem Privatdetektiv zu tun gehabt. Schon allein die Idee, einen
anzuheuern, ist |257| bizarr – so etwas machen doch nur Leute in Fernsehkrimis.
»Meine Liebe, du wirst sehen, es ist absolut aufregend«, sagt Vera.
»Aber wenn sie ihn wiedererkennt? Glaubst du nicht, dass sie seinen schwarzen BMW vor ihrem Haus bemerken wird?«
»Er geht bestimmt undercover vor. Vielleicht hat er ja für solche Zwecke noch einen alten Ford Escort.«
Ich lasse mir von Ms. Carter Justins Nummer geben und hinterlasse auf seinem Anrufbeantworter eine lange wirre Nachricht,
weil ich nicht so richtig weiß, was ich ihm eigentlich sagen möchte. Wenige Minuten später ruft er zurück. Seine Stimme klingt
tief und vertrauenerweckend und verrät noch Spuren des ostenglischen Akzents, den er versucht hat sich abzugewöhnen. Justin
ist überzeugt, mir helfen zu können. Er hat Kontakte zur Polizei und zur Stadtverwaltung. Er notiert alles, was ich ihm an
Informationen liefern kann: die
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