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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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unterschiedlichen Schreibweisen von Valentinas Namen, ihr Geburtsdatum (falls sie das nicht
     auch gefälscht hat), die Nummer ihrer Versicherungskarte (die ich auf einem der Papiere im Kofferraum gefunden habe), Stanislavs
     Namen und Alter sowie alles, was ich über Bob Turner und Eric Pike weiß. Aber in erster Linie scheint er daran interessiert,
     sein Honorar auszuhandeln. Ob ich Erfolgshonorar zahlen möchte oder lieber tageweise? Ich entscheide mich für ein Erfolgshonorar
     – soundso viel für ihre Adresse, soundso viel für Informationen über ihre Arbeit, und noch mehr, wenn es ihm gelingt, einen
     vor Gericht verwertbaren Beweis für die Existenz eines Liebhabers beizubringen. Als ich den Hörer auflege, bin ich zufrieden
     und ganz wohlgemut. Falls Justin diese Auskünfte liefern kann, sind sie nicht zu hoch bezahlt.
     
    |258| Während ich damit beschäftigt bin, den Rolls-Royce loszuwerden, entwirft Vater Lobreden auf eine andere Art von Fahrzeug.
     
    Das Ende des Krieges läutete eine Zeit außerordentlichen Fortschritts in der Entwicklungsgeschichte des Traktors ein. Wieder
     einmal wurden Schwerter zu Pflugscharen gemacht, und eine von Hunger geplagte Welt musste sich Gedanken darüber machen, wie
     sie sich ernähren konnte. Denn eine prosperierende Landwirtschaft ist, wie wir jetzt wissen, die einzige Hoffnung der Menschheit,
     und dabei spielen Traktoren eine tragende Rolle.
    Die Amerikaner hatten erst in den Krieg eingegriffen, als die europäischen Völker und ihre Wirtschaft schon fast vernichtet
     darniederlagen. Amerikanische Traktoren, die früher hinsichtlich ihres technischen Standards hinter den europäischen herhinkten,
     schoben sich nun ins Rampenlicht. An vorderster Stelle der John Deere.
    John Deere selbst war ein Schmied aus Vermont gewesen, ein großer Mann, stark wie ein Bulle, der 1837 mit seinen eigenen Händen
     einen Eisenpflug geschmiedet hatte, der sich auf den Böden der amerikanischen Prärien ausgezeichnet bewährte. Man kann deshalb
     mit Fug und Recht behaupten, dass es nicht die im amerikanischen Nachkriegsfilm so glorifizierten dummen Cowboys waren, sondern
     der Deere-Traktor, der die Erschließung des amerikanischen Westens ermöglichte.
    Deeres großes Talent war jedoch gar nicht so sehr die Technik als vielmehr das Business, denn als er im Jahr 1886 starb, war
     es ihm gelungen, durch Handel und Kreditgeschäfte mit Käufern seine einstige Ein-Mann-Werkstatt zu einem der größten Unternehmen
     Amerikas auszubauen.
    John Deeres berühmtes Zweizylindermodell war nicht
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nur wirtschaftlich, sondern ließ sich auch einfach bedienen. In seiner Folge war es dann das starke Modell G, das bis 1953
     in die ganze Welt exportiert wurde und dazu beitrug, die die Nachkriegszeit prägende ökonomische Dominanz Amerikas zu festigen.
     
    Eines Nachmittags Ende September, Vater hat gerade eine Pause in der Arbeit an seinem großen Werk eingelegt und döst im vorderen
     Zimmer in seinem Sessel vor sich hin, wird ihm mit einem Mal bewusst, dass sich ein ungewöhnliches Geräusch in seine Träume
     eingeschlichen hat. Es ist ein leises, sich ständig wiederholendes mechanisches Surren – ein nicht unangenehmer Klang, der
     ihn, wie er sagt, an seine alte Francis Barnett erinnert, wenn sie an einem kühl-feuchten Morgen nicht so recht anspringen
     wollte. Halb schlafend, halb wachend liegt er in seinem Sessel, lauscht diesem Ton nach und denkt an die Francis Barnett,
     an die kurvigen schmalen Straßen von Sussex, an den Wind in seinem Haar, die duftenden Hecken, den Geruch von Freiheit. Voller
     Freude lauscht er und hört nun noch ein anderes Geräusch, so leise, dass es beinahe unhörbar ist, vage, verschwommen – Stimmengeflüster.
    Jetzt sind alle seine Sinne hellwach. Jemand muss im Zimmer sein. Er rührt sich nicht, bleibt unbeweglich still liegen, öffnet
     nur ein Auge. In der Nähe des Fensters nimmt er zwei sich bewegende Figuren wahr. Als sie in seinen Blickwinkel kommen, erkennt
     er sie: Valentina und Mrs.   Zatshuk. Schnell macht er sein Auge wieder zu. Er hört, dass sie sich hin und her bewegen, dass sie flüstern, und er hört
     noch etwas anderes – das Rascheln von Papier. Er öffnet das andere Auge. Valentina wühlt in der Schublade herum, in der er
     seine Briefe und Dokumente aufbewahrt. Von Zeit zu Zeit zieht sie ein Blatt heraus und reicht es Mrs.   Zatshuk. Und jetzt wird ihm klar, woher dieses andere |260| Geräusch kommt, dieses mechanische

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