Kurzgayschichten
lieben Eltern wohl mächtig was verzapft. Das ganze wurde immer interessanter, besser als jede Soap!
„Wir wollten doch immer nur das Beste für dich!“, versuchte der Vater es beschwichtigend.
„Das Beste? Denkst du, diese Scheißschule ist das Beste für mich gewesen?!“ Pauls Stimme überschlug sich fast.
Ich erinnerte mich für einen Moment an meine Eltern. Mein Vater, der beliebte Chirurg und meine Mutter, die viel zu hektische Managerin, die die Erziehung ganz Herrn Doktor überließ. Ja, mein alter Herr wollte auch immer mein Bestes, ein Jurastudium! Und was war aus dem Jungen geworden? Ein Architekturstudent, ich korrigiere, ein schwuler Architekturstudent! Erschreckend, wie schnell man Parallelen zu vollkommen unterschiedlichen Personen ziehen konnte, die man noch nicht mal sonderlich gut leiden konnte. Und ehe man sich versah, empfand man fast so etwas wie Mitleid für Menschen, die einem vorher mehr oder weniger egal waren und die, nur weil sie Ähnlichkeiten mit einem selbst aufwiesen, auf einmal fast wie Verbündete erschienen.
„Also liegt es an der neuen Schule, dass du dich ... sagen wir etwas ‚umgestylt‘ hast“, wandte ich mich interessiert an Paul, der seinen Vater immer noch zornig anstarrte.
Er antwortete auf seine Weise.
„Dieses verfickte Drecksloch ...“, begann er aufgebracht.
Und man sah, dass sich der Polizist seinen Tadel wegen der Ausdrucksweise nur schwer verkneifen konnte.
„Aber begreif doch, Paul, die Goetheschule ist eine Eliteschule, du warst doch unterfordert auf dieser einfachen Schule und ...“, noch ehe sich sein Vater weiter erklären konnte, fiel ihm auch Paul schon wieder ins Wort.
„Wurde ich überhaupt gefragt?! Nein, wieso auch? Ich wurde ja nicht mal gefragt, ob ich überhaupt mein Abitur machen will! Ich bin ja erst Siebzehn, wieso sollte ich jetzt schon über mein Leben entscheiden können?!“ Wütend trat er meinen Telefontisch, der schmerzerfüllt knarrte.
„Aber Junge ...“, begann Pauls Vater erneut und merkte gar nicht erst, wie er seinen Sohn damit nur mehr provozierte.
Ja, dieses berühmte „Aber Junge ...“, das meist mit den Worten „... versteh mich/uns doch ...“, endete und nichts anderes ausdrückte als „Du kleiner trotziger Junge, hör auf deine Eltern und benimm dich nicht wie ein Kleinkind“, hatte wohl schon so manche Familie entzweit.
Zeit einzuschreiten!
„Sagen Sie mal, was ist an Konditor eigentlich so schlimm?“, versuchte ich die Situation nun etwas zu entschärfen.
Der Polizist sah mich verdattert an und steckte das Foto wieder ein, das Niclas immer noch zum Schmunzeln brachte, obgleich der sich ziemlich bedeckt hielt.
„Finden Sie, dass Konditor ein schlechter Beruf ist?“, hakte ich weiter nach.
Pauls Vater verneinte zögernd.
„Mögen Sie vielleicht keine Backwaren?“, fragte ich ihn weiter aus und wieder musste der Polizist verneinen.
„Gut, warum sollte dann gerade ihr Sohn nicht Konditor werden?“
Ja, das nahm dem alten Herrn den Wind aus den Segeln und auch Paul sah mich etwas perplex an.
„Na ... weil es einfach nicht passt ...“, begann Pauls Vater zögernd.
„Was passt nicht?“, fragte ich immer noch höflich nach und wusste schon, dass er keine plausiblen Gegenargumente hatte.
„Es passt einfach nicht, der Junge ist hochbegabt!“, lenkte sein Vater halbherzig ein.
„Dann ist Ihr Sohn wohl der erste hochbegabte Konditor!“, gab ich zu bedenken und schien ihn damit etwas zu verärgern.
„Das passt einfach nicht, der Junge soll seine Schule fertig machen und was Vernünftiges studieren, das sind doch nur Flausen!“
„Ich denke, der ‚Junge‘ ist keine zehn mehr und kann alleine entscheiden, was er will. Das Einzige, was hier nicht passt, sind seine Wertvorstellungen und Ihr falscher Ehrgeiz!“, beendete ich meine kleine Gesprächsrunde und erntete zwar keinen Applaus, aber einen wütend nach Luft schnappenden Polizisten ohne Gegenargumente.
Ein sehr seltenes Bild in dieser Stadt, das ich nur zu gerne auf Polaroid festgehalten hätte.
Doch der alte Herr versuchte es noch einmal. „Ich bin dein Vater und du bist erst siebzehn, deswegen wirst du jetzt nach Hause kommen und das Ganze hier deiner Mutter erklären, vor allem, dass du jetzt auch noch eine Schwuchtel bist!“ Dabei sah er Niclas und mich bedeutend an.
Ich sah sogar, dass Niclas für einen kurzen Moment schuldbewusst dreinblickte, verschob meine Schadenfreude aber auf später. Vorher galt es einen
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