Kurzgayschichten
meisten um mich herum werden ruhig, andere murmeln erstaunt.
Ich sehe ungläubig in Micks Richtung. Wieso verteidigt er mich? Das scheinen sich noch mehr zu fragen.
„Du verteidigst die miese Schwuchtel doch nicht etwa, oder?“
Mein Herz krampft sich zusammen, es ist Leon, der das sagt, er kommt sogar ein Stück näher und sieht Mick geringschätzig an.
„Welche Schwuchtel? Ich sehe hier keine Schwuchtel, sind doch alles Menschen hier, oder nicht?“ Mick erwidert Leons Blick kühl.
Ich begreife nicht, warum er sich so für mich einsetzt.
Leon scheint das noch weniger zu begreifen. „Na genau die Schwuchtel, die mich abgeleckt hat, du wirst dich ja wohl noch an deine eigene Party erinnern, oder nicht?“ Seine strahlenden himmelblauen Augen wirken wie der Himmel kurz vor einem Gewitter, dunkel und bedrohlich.
Mick scheint sich ganz und gar nichts daraus zu machen.
„Ich für meinen Teil habe gehört, dass du Peter die Zunge in den Hals gesteckt hast ...“ Er sieht Leon herausfordernd an und dieser stockt tatsächlich für einen Augenblick.
„Jeder, der dabei gewesen ist, wird dir bestätigen können, dass es andersherum war!“
Zustimmendes Gemurmel erklingt.
Ich kann nicht fassen, wie all die Leute so schamlos lügen können.
„Ach ja?“ Mick tut so, als würde er über etwas unglaublich Profanes reden.
„Nun, weißt du, was ich dann komisch finde? Auf dem Foto am schwarzen Brett hast du deine Hände doch auf seinen Schultern oder nicht?! Übrigens sehr gut getroffen, eine Glanzleistung, wirklich!“ Seine Stimme trieft vor Ironie und ich bin ihm dankbar dafür.
Leon kneift die Augen zusammen und scheint nervös zu werden. Er reibt sich dann immer die Hände an der Hose ab.
Wildes Gemurmel entsteht wieder.
„Das heißt überhaupt nichts, ich wollte ihn wegdrücken, das war es!“
Mick lacht falsch.
„Ich bitte dich, der Kapitän der Fußballmannschaft schafft es nicht, einen Jungen wie Peter wegzudrücken, wie lächerlich willst du dich eigentlich noch machen?“
Leons eisiger Blick beschert mir eine Gänsehaut und ich muss schwer schlucken.
„Der Einzige, der sich hier lächerlich macht, bist du, weil du diesen Schwanzlutscher verteidigst!“
Ich zucke unter den Worten zusammen, es tut weh, dass es gerade Leon ist, der das sagt.
„Du bist das größte und verlogenste Arschloch, das mir je untergekommen ist, andere so zu verraten, um deinen eigenen Arsch zu retten, echt erbärmlich!“
„Lass dich doch von deinem kleinen schwulen Freund in den Arsch ficken!“, kontert Leon und sieht Mick verächtlich grinsend an.
Ich bahne mir den Weg durch die Menge und renne Richtung Ausgang. Ich kann und will nicht mehr zuhören. Entfernt nehme ich noch Micks Stimme wahr, dann umfängt mich die nasskalte Luft.
Schmerz und Lärm sind ausgesperrt.
VII.
Wie immer an schrecklichen Tagen muss der Regen in den miesesten Situationen noch stärker werden. Ich habe zwei Möglichkeiten: mich umzudrehen und im Schulgebäude Schutz suchen oder bis zur Bushaltestelle laufen.
Zurück kann ich auf gar keinen Fall. Der Regen wird stärker und ich laufe zur Haltestelle, lasse mich dann klitschnass auf einen mit Graffiti besprayten Sitz fallen.
Mein Hemd ist vom Regen völlig durchnässt und klebt klamm an meinem Oberkörper.
Unter etlichen Kritzeleien kann ich am Fahrplan erkennen, dass mein Bus erst in einer halben Stunde kommen wird.
Seufzend fahre ich mir durchs nasse Haar und starre auf die gegenüberliegende Straßenseite.
Irgendjemand geht mit seinem Hund spazieren, ich kann nicht erkennen ob Mann oder Frau, meine Kurzsichtigkeit verwehrt mir weitere Erkenntnisse. Die Kontaktlinsen liegen jetzt irgendwo auf dem Männerklo, zwischen meiner Menschenwürde und einer Alufolienkugel.
Was für ein Scheißtag!
Ich sehe wieder Leons Gesicht vor mir, seinen angewiderten Blick, ich kann sogar seine Beschimpfungen glasklar hören als würde er jetzt genau neben mir stehen.
Es tut weh.
Mein ganzer Körper tut weh, irgendwo unter meinen Rippen fehlt das Herz.
„Ist hier noch frei?“
Ich brauche nicht aufsehen um zu erkennen, wer es ist. Micks Stimme ist mir mittlerweile vertraut. Ich antworte nicht, er sieht ja selbst, dass außer mir keiner hier sitzt.
Ein kurzer Seitenblick verrät, dass er sich die Haare auswringt und scheinbar nach den richtigen Worten sucht. Ich frage mich, was er überhaupt hier tut.
„Ich weiß, wie du dich jetzt fühlst ...“, beginnt er und ich sehe ihn
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